06.08.2019

THE PEOPLE V. O.J. SIMPSON (2016)

"American Crime Story" ist eine TV-Serie, die von echten Kriminalfällen erzählt. Und in der ersten Staffel der von John Travolta mitproduzierten Reihe, konzentrierte man sich auf den Fall O.J. Simpson, der seinesgleichen sucht. Nicht nur dass der Gerichtsprozess und die vergebliche Suche nach der Wahrheit eine hoch spannende Geschichte bereithält, weswegen bis auf die Vorgeschichte und ein kurzer Nachklang sich die komplette Verfilmung auf die Monate der Gerichtsverhandlung konzentriert, die Geschehnisse in diesem muten teilweise derart grotesk und reißerisch wendungsreich an, dass man sich immer wieder bewusst machen muss, es hier mit einem tatsächlichen Fall zu tun zu haben, wie er wirklich stattfand. Sicherlich findet "The People v. O.J. Simpson" auch Raum für Spekulationen, was in den Kanzleien tatsächlich stattfand lässt sich oftmals nur vermuten, bedenkt man aber dass mit Ausnahme des Richters noch jeder wichtige Beteiligte des Prozesses ein Buch zu diesem Thema abgeliefert hat, sind die nicht authentischen Graubereiche doch eng gesteckt. In einer gut recherchierten und flott inszenierten Serie (mit Ausnahme der lahmarschig ausgefallenen zweiten Folge, die sich leider komplett auf die legendäre Verfolgungsjagd konzentriert), erfahren wir gut zusammengefasst was den zunächst glasklar erscheinenden Fall so unglaublich schwierig werden ließ, und das hat verschiedenste Gründe.

Im Schatten der noch immer kochenden Rassenthematik, aufgrund polizeilicher Gewalttaten einige Jahre zuvor auf ein neues, trauriges Niveau gehievt, wurde der Fall O.J. Simpson von Gefühlen und nur bedingt von Fakten beeinflusst. Menschenrechtler, Heuchler und Karrieristen bevölkerten nicht nur den medialen Schauplatz rund um den Fall, auch im Gerichtssaal selbst waren sie vertreten, sich als Anwälte O.J.s selbst zerfleischend, untereinander konkurrierend. Im Gegenzug standen auf der Seite der Staatsanwaltschaft medienungeeignete Idealisten im Raum, die mit ihrer Strategie trotz unwiderlegbar geglaubter Beweise nicht weiter kamen und dementsprechend aus Verzweiflung ihre eigenen Fehler begangen haben. Sie hatten es aber auch schwer, aufgrund gravierender Fehler die andernorts vorgefallen sind, wie die unsachgemäße Lagerung von Beweisen im privaten Umfeld, oder ein rassistischer Polizist im Zentrum der Ermittlungen, von dem bekannt ist, dass er gerne Beweise manipuliert. Das Feld rund um die wahnwitzigen Ereignisse, die den Fall erschwerten, ist breit gefächert und lädt immer wieder zum Staunen ein. Wie gesagt muss man sich beim Sichten der Serie stets bewusst machen, es hier mit einem Fall zu tun zu haben, der sich ziemlich genau so abgespielt hat, und das kann man bei den unfassbaren Ereignissen, die da teilweise stattfinden, kaum glauben. Und da sprechen wir noch nicht von den Aufständen der Jury aufgrund ausgetauschtem Wachpersonals im untergebrachten Hotel, die ausufernde Schlacht um den Ausschluss von Jurymitgliedern aufgrund deren angeblich fragwürdigen Privatlebens, oder von der wahnwitzigen Verfolgungsjagd Wochen vor der Verhandlung, die medial begleitet wurde mit einem sich eine Pistole an den Kopf haltenden O.J. Und da reden wir auch noch nicht von Zufällen, wie jenem, dass urplötzlich die Ehefrau des Richters am Rande mit ins Spiel kommt und die Unparteilichkeit des Richters gefährdet, alles Punkte, die den ohnehin schon unglaublichen Fall noch unglaublicher gestalten.

Während ich mit der Beweislage um die beinah exakte DNA-Übereinstimmung im Hinterkopf immer wieder die Windmühlen im Kopf hatte, gegen welche die Staatsanwaltschaft kämpfen musste, empfand eine Bekannte von mir, welche die Serie unabhängig von mir ebenfalls geguckt hatte, den Kampf der Verteidigung einen Unschuldigen herauszuboxen als mühseliges Unterfangen. Hätte man mich nach dem Sichten gefragt ob "The Run of His Life: The People V. O.J. Simpson" (Alternativtitel) unparteiisch erzählt ist, ich hätte nein gesagt, so sehr wie vieles aus der Perspektive der Staatsanwaltschaft gezeigt wird und so sehr wie manipulative Ablenkungsmanöver und Fehler, die nicht hätten geschehen dürfen, der Wahrheitsfindung im Weg standen. Ein Gespräch mit meiner Bekannten zeigte mir jedoch, wie anders man die in der Serie gezeigten Ereignisse wahrnehmen kann, und dass das Ganze somit tatsächlich objektiv thematisiert wurde, ohne Partei für eine Seite zu ergreifen. In der Tat weiß einen zumindest der Strudel aus Inkompetenz, zusätzlicher Umstände und diversen Wendungen an der eigens erhaltenen Position zu dieser Thematik zweifeln. Nie ist man sich einer Seite wirklich sicher, selbst wenn man von der gern verwendeten Gefühlsduselei innerhalb des Prozesses (nicht hervorgerufen durch die Inszenierung der Serie (!!!), sondern bewusst als Kampfmittel vor Gericht eingesetzt) sich nicht hat anstecken lassen.

"The People V. O.J. Simpson: American Crime Story" (Alternativtitel) ist eine wahrlich spannend ausgefallene Zusammenfassung eines unglaublichen Ereignisses, hervorragend erzählt, in allen Rollen gut verkörpert (wenn auch mit einem zu klein geratenen Cuba Gooding Jr. in der Rolle Simpsons besetzt) und spannungsgeladen, wie dramatisch ergreifend erzählt. X Blickwinkel werden eingenommen, und für das enorme Spektrum an Einflüssen nimmt man sich genügend Zeit. In Staffel 2 sollte es mit einem anderen wahren Kriminalfall weiter gehen, O.J. Simpsons Geschichte ist mit Ende der ersten Staffel zu Ende erzählt - oder auch nicht. Kurz nach dem Prozess blendet sie die Geschichte aus. Ich persönlich hätte es interessant gefunden zu erfahren, wie es zum zweiten Prozess kommen konnte, in welchem der Ex-Footballer dann doch noch zu jenem Fall schuldig gesprochen werden konnte, für den er zunächst freigesprochen wurde - eigentlich ein Unding in der amerikanischen Rechtsprechung. Hier hätte man gerne noch drauf eingehen können, gehört es doch als wesentlicher und umstrittener Bestandteil mit zur erzählten Geschichte. Zumindest zeigt dieses Beispiel, dass der ungelöste Fall O.J. Simpson auch nach der Gerichtsverhandlung noch hoch interessant bleiben sollte. Und die Serie bereichert ihn in der von ihr eingegrenzten Phase zusätzlich durch das Mitbeachten des menschlichen Faktors. Eigene Tragödien der Beteiligten, die hinter den Kulissen stattfanden, werden stets mit ins Geschehen eingebunden, frei von Kitsch, sachlich genutzt, anstatt zu Manipulationszwecken eingebracht. Und da finden sich so interessante Aspekte wieder, wie der Glaube O.J.s nach der Freisprechung ginge sein Leben so weiter wie zuvor. An Reichhaltigkeit mangelt es der Serie keineswegs. Und dank einer guten Umsetzung verliert sie auch nie den Überblick.  OFDb

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