28.12.2019

FITZCARRALDO (1982)

Werner Herzogs ehrfürchtiges Werk "Fitzcarraldo" schaut sich in seiner Erscheinungsart halb-dokumentatorisch, was ihm das entscheidende Flair beschert, weswegen die entscheidenden Aussagen einer schlicht scheinenden Geschichte so stark auf den Zuschauer einfließen können. Beginnend mit einer ausführlich dargebotenen Oper, die manch anderer Regisseur nur kurz hätte anklingen lassen, befinden wir uns mitten in einer Realität außerhalb des eigentlichen Filmes, zumindest fühlt es sich so an. Herzog hält quasi auf ein Fremdwerk drauf und lässt es Teil seines werden, der Beginn eines fast-dokumentatorischen Stilmittels beginnt. Ebenso verhält es sich mit den Aufnahmen am Fluss des brasilianischen Regenwaldes. Unverfälscht fängt man an Originalschauplätzen diesen ein. Und dank der Zusammenarbeit mit tatsächlichen Waldindianer-Stämmen wird auch mit Einbinden der Indianer als Helfer eine Authentizität herbei geführt, die nur zum Teil Fiktion ist und deshalb derart authentisch anmutet. Hilfreich kommt diesem Blickwinkel zudem Herzogs Kniff zugute, dass das Filmteam seinerzeit tatsächlich ein Schiff über besagten Hügel zog. Hier wurde nicht mit faulen Tricks gearbeitet. Mag dieser oft hervorgehobene, zentrale Aspekt der Geschichte auch weit weniger Laufzeit einnehmen, als man vor der ersten Sichtung vermuten würden, Herzog und sein Team ernten Respekt durch so viel Eigeninitiative, ein Ehrfurcht zollendes Werk erntet selbiges beim Publikum.

"Fitzcarraldo" fängt wahren Respekt vor der Natur, den Naturvölkern und vergangener Methoden industrieller Bewältigungsmöglichkeiten ein, nicht ohne Kritik an der Dekadenz der Bestverdiener jener industriellen Zeit zu üben, sich jedoch weit weniger auf Ungutes konzentrierend, als viel mehr auf die zu respektierenden Elemente der Geschichte. Diese mag mit der Figurenkonstellation des erfahrenen Seebären, des trunkenen Schiffskoch und des spionierenden Ingenieurs geradezu filmklassiche Figuren mit an Bord haben, ihr detailreiches Spiel und besagter authentischer Anstrich der stets unaufgeregten Erzählung, lassen auch sie glaubwürdig erscheinen und zum überzeugenden Teil des sehenswerten Ganzen werden. Indianer, die nie übersetzt in ihrer Sprache sprechen, der Zuschauer als passiver Teil der Mannschaft, der aufgrund dessen, dass er nie mehr erfährt als Fitzcarraldo selbst, mit rätselt warum gerade geschieht, was geschieht - die Kamera begleitet ein wahres Abenteuer zwischen Fiktion und Wirklichkeit, die Trennlinie ist kaum auszumachen. Herzog schafft es auf nüchterne Art selbst dann noch Spannungsmomente durch das Verhalten der Indianer aufkommen zu lassen, wenn man ihre Kultur und ihre Beteiligung längst respektiert. Man kennt ihre Gepflogenheiten nicht, man weiß nicht ob aus Frieden wieder Feindschaft werden kann, durch welchen unbeachteten Impuls auch immer ausgelöst, und das bereichert die Pausen zwischen den eindrucksvollen Szenen, in welchen wahre harte körperliche Arbeit im Dschungel dargeboten wird.

Es ist der respektvollen Herangehensweise Herzogs zu verdanken, dass auch Momente des Misstrauens ehrfürchtig eingefangen sind, ohne feindselige Vorurteile aufkommen zu lassen oder sich an solchen zu bedienen. Die Kraft der mit all diesen Mitteln erlangten Erzählweise ist enorm. Hinterher fragt man sich fast schon, was einen an diesem Minimum tatsächlicher Geschichte derart gereizt hat, doch dann würde man all die unscheinbaren (cineastischen) Trümpfe ignorieren und sich nur auf den eigentlich erzählten roten Faden konzentrieren, und das wäre so unsinnig wie unfair, lebt "Fitzcarraldo" doch nur bedingt von einer klassischen Geschichte, als viel mehr vom Weg zum Ziel, mit überraschendem Schluss versehen. Die Aufmerksamkeit und das Mitdenken während dieses intellektuellen Abenteuers wird vom Zuschauer vorausgesetzt, zumal das Werk nie Urteile über irgendwen oder irgendetwas ablegt. Was man sieht, hat man selbst einzuordnen. Dementsprechend werden auch undeutlich beigemischte Informationen nicht mit zusätzlicher Hilfestellung erklärt. "Fitzcarraldo" ist ein Werk für mündige Zuschauer. Alles andere würde auch seiner Ehrfurcht vor der Schönheit, den Kulturen und den Errungenschaften dieser Welt widersprechen.  OFDb

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