"Slender Man" bedient sich ähnlich wie "The Blair Witch Project" bei einer fiktiven Legende und nimmt diese als Grundlage für einen Teenie-Horror, der sich wie ein Mix aus "Ring", "Candymans Fluch" und "The Tall Man" guckt, angereichert mit Elementen aus "Tanz der Teufel" und vielen anderen Horrorbeiträgen. Daraus wird sicherlich nichts Innovatives, aber dank einem guten Gespür für stimmungsvolle Umsetzung, gelingt Sylvain White ein unterhaltsamer Horrorfilm, dessen Sichtung sich lohnt. Freilich wird er beim jugendlichen Publikum eine Spur besser funktionieren, als bei den erwachsenen Zuschauern, gerade was den Gruselgehalt betrifft, so muss doch eine recht naive Herangehensweise vorhanden sein, um sich wohlig ängstigen zu können. Aber auch abseits mitgefühltem Gruselns und eines nervenkitzelndem Spannungspotentials hat mir das Werk gefallen, welches mit Whites Erstling "Ich werde immer wissen, was Du letzten Sommer getan hast" nichts mehr gemein hat. Dies war aufgrund seines sich selbst nicht zu ernst nehmenden Grundtons bei routiniertem Ergebnis zwar der beste Teil der Reihe, die mit "Ich weiß, was Du letzten Sommer getan hast" startete, ein solch atmosphärischer Beitrag wie der stimmungsvolle "Slender Man" ist er jedoch nicht einmal ansatzweise. Das versteckte Potential des Regisseurs war hier noch nicht wirklich erkennbar.
Da Teil 3 besagter Reihe nicht gerade auf viel Gegenliebe stieß, verschlug es Sylvain White als Regisseur zunächst in den Fernsehbereich, wo er für TV-Serien wie "Lethal Weapon", "Sleepy Hollow", sowie vielen anderen Produktionen tätig war. Nun, wo er mit "Slender Man" überraschend begrüßenswert ins Kino zurückgekehrt ist, kann man nur hoffen, dass er weitere Aufträge erhält, denn sein Coming of Age-Horror, der sich analytisch u.a. mit der Entfremdung des Liebgewonnenen aus der Kindheit durch das Beschreiten der Erwachsenenwelt befasst, mit der Verängstigung der dadurch neu aufkommenden Perspektiven auf die Welt und mit der obligatorischen Konfrontation von Problemen, denen man sich persönlich stellen muss, weiß definitiv zu gefallen. Gegen Ende wird gar überdeutlich, dass sich "Slender Man" auch als Mahnmal alternativer Denkweisen versteht, in welche man sich gerade zu Zeiten des Internets verlieren kann. Scheibenerde, Reptilienmenschen, pseudowissenschaftliche und pseudoreligiöse Themen gibt es zu genüge im Netz, die von Klick zu Klick wahrhaftiger klingen. "Slender Man" thematisiert dies glücklicher Weise nicht moralisch und ist zudem nicht als Teenager-Drama mit übernatürlichem Einfluss angelegt, sondern bietet waschechten Horror, der trotz besagter Elemente auch den erwachsenen Zuschauer nicht als Zielpublikum ausschließt. Kurzum ist Whites Werk weder belehrender Jugendfilm, noch Intellekt-Kino, nicht einmal im Ansatz, aber er weiß seine hintergründigen Botschaften parallel zum vordergründigen Geschehen deutlich zu machen.
Dass dieses interessant anzuschauende Werk nicht so intensiv geglückt ist wie beispielsweise "It Follows" liegt u.a. daran, dass man zu schnell erfährt, dass es sich bei den Geschehnissen tatsächlich um ein übernatürliches Phänomen handelt. Der Geschichte hätte es, gerade aufgrund der Methoden die sie beim Auslösen des Phänomens und den ersten Nachforschungen über die Hintergründe der legendären Gestalt wählt, gut getan, wenn einige Zeit lang auch menschliche Manipulationen parallel zu übernatürlichen Erklärungsansätzen möglich gewesen wären. Mit dem vorzeitigen Zeigen vom Übernatürlichen verliert "Slender Man" nicht nur vielfältige Möglichkeiten, auch der Mythos der Sache leidet ein wenig, zumindest dann, wenn man den Slender Man viel zu früh viel zu deutlich erkennen darf. Doch trotz solcher Fehlentscheidungen bleibt am Schluss ein stimmiger Teenie-Horror in gut funktionierender Besetzung, umhüllt vom düsteren Schleier einer interessanten, wenn auch etwas arg uneben ausgefallenen, Legende, von der man gerne mehr erzählt bekommen möchte. Das Ganze ist temporeich inszeniert, aber dennoch mit Platz für stimmige Atmosphäre versehen. Zartbesaitete bekommen zudem ein Grusel-Feeling beschert, welches ich leider nur erahnen kann. Spätestens wenn man dieses mitfühlen kann, wird man wohl richtig begeistert vom Ergebnis sein. Mir, als jemand der sich nicht gegruselt hat, hat der Film aber zumindest trotzdem gut genug in seiner stimmigen Inszenierung gefallen, um mit ihm sympathisieren zu können. OFDb
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