04.04.2020

MONDO CANNIBALE (1972)

"Mondo Cannibale" gilt als Begründer der kurzen Welle italienischer Kannibalenfilme in den 70er Jahren, obwohl er zu dieser Thematik kaum etwas beizutragen hat. Kannibalen überfallen im letzten Drittel kurz Bewohner eines konkurrierenden Eingeborenenstammes. In diesem Moment kommt es kurz zu einer Fressszene mit entsprechendem Goreeffekt, das war es auch schon, dient dieses Szenario doch einer wichtigen dramaturgischen Wendung in der Geschichte, anstatt als Haupteckpunkt. Umberto Lenzi ist vielmehr daran interessiert uns den Alltag einer uns fremden Kultur zu zeigen, weswegen ausländische Alternativtitel wie "Man from Deep River" mehr Sinn ergeben, als der täuschende deutsche Titel. Lenzis Film zog anbei lediglich die Fortsetzung "Mondo Cannibale 2 - Der Vogelmensch" nach sich, wohingegen die anderen Nummern dieser angeblichen Reihe Mogelpackungen geldgieriger Betrüger sind, die Werke minderer Qualität als angebliche Fortsetzungen unter das Volk brachten.

Im Gegensatz zur Fortsetzung kommt der fünf Jahre zuvor erschienene erste Teil noch mit einer klassischeren Kinogeschichte daher. Die Hauptfigur gerät zwar in Gefangenschaft und muss einiges über sich ergehen lassen, er wird mit der Zeit aber auch offizielles Mitglied des Stammes und darf sich sogar die Dorfschönheit erobern, sowie Entscheidungen mit treffen. Gelegentlich driftet "Sacrifice!" (Alternativtitel) geradezu in eine Heldenpräsentation ab. Damit und mit lüstern anmutenden Fummelszenen verlässt Lenzi endgültig den Fokus um Authentizität, hier wird "Deep River Savages" (Alternativtitel) endgültig zu klassischem Kino fern der Realität. Und schon zuvor stellt Lenzis Drang das Geschehen mit reißerischen Schauwerten aufzupeppen diesem Versuch stets im Weg, so dass Ruggeo Deodato diesbezüglich definitiv die besseren Arbeiten abgeliefert hat. Auch er verzichtete nicht darauf Tiertötungen vor laufender Kamera vornehmen zu lassen, doch dienten diese stets einem direkten Zweck, wie der Ernährung. Lenzi setzt sie oftmals durch Sinnlosigkeit weit reißerischer ein und sucht auch sonst stets nach quantitativen Schauwerten.

So wird zum Ergötzen der Körper inflationär auf Nackedeiszenen gesetzt, anstatt zum authentischen Zweck, wie in der Fortsetzung geschehen. Damit passt der Alternativtitel "Mondo Cannibale - Die Insel der erregenden Liebesspiele" recht gut. Aber freilich präsentiert auch er nicht den wahren Plot, allein schon weil der Fotograf die Hälfte der Laufzeit in Gefangenschaft verbringt. Und sein Weg zum akzeptierten Stammesmitglied ist nicht viel leichter, als das Erdulden der Pein als Gefangener, muss er doch beispielsweise gemeinsam mit dem Oberhaupt frisch geköpftes Affenhirn verspeisen, um diesen nicht zu beleidigen. Viele der im Film auftauchenden Regeln und Rituale, ob Alltäglichkeiten, Fruchtbarkeitsrituale, Kriegsvorbereitungen oder Ehrungen von Göttern, wirken tatsächlich realistisch und verleihen dem ansonsten in diesem Punkt zu bemühten Film jenes fremdartiges und oftmals unbehagliches Abenteuer-Flair, welches man sich eigentlich von einem solchen Film erhofft. Von daher ist "Mondo Cannibale Massacre" (Alternativtitel) phasenweise interessant zu gucken und noch nicht ganz so verkrampft provokativ ausgefallen, wie Lenzis spätere Kannibalenfilme. So natürlich, ehrfürchtig und bedrohlich, wie Deodatos Menschenfresser-Werke, ist aber auch sein erster Film zu diesem Thema nicht ausgefallen, wenn man "The Last Survivor" (Alternativtitel) überhaupt ernsthaft dazu zählen will.  OFDb

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