10.05.2020

DIE VERGEWALTIGUNG DES VAMPIRS (1968)

Der ursprünglich als Kurzfilm konzipierte "Die Vergewaltigung des Vampirs" ist bislang mein liebster Streifen des umstrittenen Regisseurs Jean Rollin, von dem mir einige seiner Werke zu plump erschienen, um sie als alternative Kost tatsächlich ernst nehmen zu können. Zwar beweist Rollin auch hier weder Feingefühl, psychologisches Nachvollziehen der von den Figuren begangenen Taten, oder Talent bezüglich der Frage in welchen Schritten man eine verständliche Geschichte beschert, aber nichts davon spielt eine Rolle. Wunderbar vereinen sich Schund und Kunst zu einem magischen Etwas, das im einen Moment dilettantisch anmutet und im nächsten zu beeindrucken weiß. Irgendwo pendelnd zwischen Christoph Schlingensief, Helge Schneider und Jess Franco bietet uns Rollin ein theatralisches Stück hübsch abgefilmter, in Schwarz/Weiß gehaltener Bilder, die zwischen Poesie und Laien-Theater hin und her pendeln, zwischen Wahn und Bodenständigkeit, zwischen Hektik und Langsamkeit, zwischen Tiefgründigkeit und plumper Oberflächlichkeit. Dieser Stil fasziniert, tut dies umso mehr durch die verstörende Musikuntermalung und weiß den Zuschauer damit bis zum Schluss zu fesseln. Am Ende weiß man nicht ob man etwas tatsächlich Gelungenes gesichtet hat, oder etwas dass sein Funktionieren mehr dem Zufall anstatt echter Planung verdankt. Wahrscheinlich ist es je nach Szene mal so und mal so.

"Queen of the Vampires" (Alternativtitel) verdankt seine funktionierende Wirkung aber auch der erzählenswerten Geschichte, die in zwei Akte aufgegliedert ist. Die im direkten Zusammenhang stehenden und dennoch höchst unterschiedlich ausgefallenen Hälften, von welchen die zweite mehr Spielzeit einnimmt als die erste, stehen sich beide in nichts nach, verfolgen mindestens je eine interessante Idee und fordern in der Art der Darbietung den Zuschauer heraus herauszufinden worum es geht, was das Ganze soll und ob es überhaupt einen tieferen Sinn gibt. Manche wahrlich genialen Ideen werden am Rande abgefrühstückt, manche davon sind Ideengeber für später entstandene Filme, die sie zum Mittelpunkt einer Geschichte machten. Der absichtliche Stil der Lückenhaftigkeit und Sprungartigkeit im Erzählfluss fordert das Publikum enorm. Typisch Rollin wird auch in "The Rape of the Vampire" (Alternativtitel) nicht mit Nacktheiten gespart, manche Kamerapositionierung weiß sinnlich zu provozieren, ebenso manche fast schon zufällig scheinende Nacktheit. Die im Titel erwähnte Vergewaltigung wird nur am Rande erwähnt und spielt kaum eine Rolle, weder für den einen, noch für den anderen Akt, in welchem "Vampire Women" (Alternativtitel), wie bereits erwähnt, aufgeteilt ist.

Rollin weiß wann Figuren geradezu albern vor der Kamera herumkaspern dürfen, wann es besser ist sie mystisch, debil, verspielt oder verstörend agieren zu lassen, und die unterschiedliche Qualität des jeweiligen Schauspieltalents, von überzeugend bis höchst dilettantisch, sowie der klar zu erkennende Freiraum des Improvisierens, lassen den Zuschauer sich nie an irgendetwas zu sehr gewöhnen. Stets wird man diesbezüglich, oder auch inhaltlich oder technisch stilistisch herausgerissen aus der üblichen Gemütlichkeit einer Filmbetrachtung. Den trashigen Touch, der parallel mit dem Gefühl von Kunst, oder auch von Überheblichkeit, sowie einer Überforderung im eigenen Anspruch, einen ganz tollen Mix aus Schund-Kunst ergibt, kann man, sofern man Zugang zu derartigen Werken besitzt, eigentlich nur charmant finden. Einzelne besondere Momente, wie der bösartige Schlussmoment hinter dicken Mauern, oder die Verarschung der Blinden an den Pfeilern im Meer, werten das ohnehin schon sowohl beeindruckende, wie auch plump scheinende Treiben noch einmal auf. Zwei Sichtungen kurz hintereinander faszinierten mich gleicher Maßen, und ich weiß jetzt schon definitiv, dass mich dieser Film noch des öfteren ein gutes Stück in meinem Cineasten-Leben begleiten wird.  OFDb

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