11.10.2020

ABARTEN DER KÖRPERLICHEN LIEBE (1970)

Franz Marischka, der Regisseur von solch abtrünnigen Werken wie "Die unglaublichen Abenteuer des Guru Jakob", Sunshine Reggae auf Ibiza" und den "Lass jucken, Kumpel!"-Filmen, zeichnet sich auch für "Abarten der körperlichen Liebe" verantwortlich. Wie so viele seiner Werke ist auch dieser im Sex-Bereich zu Hause, Erotik bietet er jedoch nur bedingt, ist es doch ein Aufklärungsfilm, welcher, von einem strengen Doktor im Off-Kommentar dokumentiert, über abseitige Sexualneigungen berichtet, die nicht der Normalität entsprechen, erst recht nicht in jenen biederen Zeit, in welchen der Streifen entstanden ist. Dem sieht man, sowohl in seiner sleazy Machart, wie auch im verkrampften Grundton und seinem Denken von Vorgestern, jederzeit besagte Entstehungszeit an, und das macht ihn so amüsant. Diesen Effekt erzielte er bereits spätestens Ende des ihm folgenden Jahrzehnts, bediente sich "Als die Liebe laufen lernte" in seinem ersten Teil doch mit Freude an diesem Werk, um anhand der von ihm entliehenen Szenen den Humoreffekt seines verstaubten, aufklärerischen Anliegens zu demonstrieren. Den besitzt er definitiv, egal in welchem seiner Themengebiete, in Zeiten von Wahrheiten, die aus einer mir unverständlichen Korrektheit her heutzutage nicht mehr ausgesprochen werden dürfen, besitzt er aber auch eine erfrischende Direktheit. Zwar ist die hier vorgetragene Psychologie, die gerne auf die Methoden der Psychoanalyse zurückgreift, etwas einseitig und schlicht geraten, diverse Ansätze sind aber durchaus nachvollziehbar und erscheinen richtig, auch wenn das viele Menschen heute nicht mehr hören möchten. Interessanter Weise wird der Streifen dabei niemals zu einer Schuldzuweisung, oder präsentiert seine Hauptfiguren mit mangelndem Respekt. Wohlformuliert macht der Kommentator deutlich, dass es sich bei den präsentierten Individuen mit ihren Neigungen um keine minderen Menschen handelt, er stigmatisiert sie keineswegs, er macht aber trotzdem auch das mögliche, zu seiner Zeit leider noch kompromisslose, seelische Krankheitsbild derartiger Neigungen deutlich und thematisiert sie inklusive möglicher Ursachen und Therapie-Möglichkeiten.

Damit ist "Abarten der körperlichen Liebe" in einem wundervollen Schwebezustand zwischen unsinnigem Rotz und reflektierten Fakten gefangen, der ihn auf mehreren Ebenen sehenswert gestaltet. In seiner zeitgemäßen, sleazy Umsetzung, untermalt mit Funk- und Beatmusik, ist er ein kurzweiliges Stück Pulp-Film, dem es wahrlich nicht an Unterhaltungswert und Schauwerten mangelt. Wer einschaltet um erotischen Bildern beizuwohnen, wird sich jedoch wundern, sind doch trotz mancher Nacktheiten große Phasen des Streifens, insbesondere für den klassischen Heterosexuellen, frei von anregenden Bildern ausgefallen. Allein die Szenarien vergrätzen dieser Art Zuschauer eigentlich bereits bei dieser Zweckentfremdung eines, zumindest offiziell, mit anderen Zielen versehenen Filmes. Und auch die herrlich schlecht agierenden Laiendarsteller tun ihr übriges für eine a-sexuelle Wirkung der offen dargebotenen Nacktheit. Aber allein schon die Themenauswahl lässt derartige mögliche erotische Momente kaum zu, geht es doch auch um Transvestiten, Homosexuelle und Sadomasochisten, die wie dargestellt nicht einmal dementsprechend sexuell geartete Gleichgesinnte mit anregenden Bildern beliefern. Mir persönlich soll es ohnehin egal sein, habe ich diesen herrlich schrulligen, irgendwie fragwürdigen und gleichzeitig respektablen, Streifen doch aufgrund seines Schundfilm-Charakters angesehen. Und dank seiner sleazy Art, wusste mir zu gefallen was ich sah. Für einen angeblich sachlichen Aufklärungsfilm ist der Stil des Films doch recht popkulturell und modebewusst ausgefallen. Und die psychologischen Dramen der ins Zentrum gerückten Personen werden doch arg mit billigen Schauwerten hochgepuscht. Spätestens aufgrund der Entscheidung anstatt Dokumentarszenen Spielszenen zu verwenden, kommt das alles wunderbar unehrlich und konstruiert daher, was den Unterhaltungswert ungemein erhöht.  OFDb

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