22.10.2020

MIT SCHIRM, CHARME UND MELONE - STAFFEL 4 (1965)

Da ich die zweite Staffel, mit der ich vor einigen Jahren eingestiegen bin (Staffel 1 existiert aufgrund von Live-Aufzeichnungen nicht mehr), eine ziemlich dröge Angelegenheit fand, und da die Emma Peel-Darstellerin Diana Rigg kürzlich verstarb und diese erst ab dem vierten Jahr in der Serie auftaucht, übersprang ich Staffel 3 und den Rest der zweiten und stieg direkt dort ein, wo ich aus früheren Erfahrungen wusste, dass mich eine unterhaltsame Angelegenheit erwarten würde. Die erste von insgesamt drei Staffeln mit Emma Peel an der Seite der Serienkonstante John Steed ist noch in Schwarz/Weiß gehalten, was jedoch keineswegs bedeutet, dass sie noch nicht so modern daher kommt, wie die beiden bunten Jahre besagter Dekade. Bereits hier wird nicht einfach aufgrund der Agenten-Thematik James Bond kopiert und variiert, er kommt einem zum Vergleich beim Sichten nicht einmal in den Sinn, besitzt "Mit Schirm, Charme und Melone" doch seine eigene Tonart, nicht nur aufgrund des regelrecht zelebrierten britischen Charmes, sondern auch aufgrund seines bizarren Tons. Und selbstverständlich sorgt auch der weibliche Faktor für Eigenständigkeit im Vergleich zu besagter Konkurrenz, wird mit Emma Peel doch eine emanzipierte und (in doppeldeutiger Hinsicht) schlagfertige Kollegin eingebaut, die ihrem männlichen Kollegen in Sachen Raffinesse, Dreistigkeit und Selbstständigkeit in nichts nachsteht. Beide Hauptfiguren harmonieren in ihrer sympathisch dargebotenen Arroganz ideal miteinander und sorgen dafür, dass auch die wenigen Folgen, die etwas schwächer ausgefallen sind, keineswegs zur Zeitverschwendung werden. 

Meist ist aber allein schon der Aufhänger der einzelnen Geschichten interessanter Natur, arbeitet man doch stets mit skurrilen Ideen. Schlichte Agentengeschichten gibt es nur in der Ausnahme, und selbst die sind im richtigen Mix aus stilvoller Erzählung und actionreichen Schauwerten präsentiert, die beweisen dass reißerische Szenarien nicht zwingend im Widerspruch zu einer niveauvollen Umsetzung stehen müssen. Staffel 4 von "The Avengers" (Originaltitel) erwartet die Bereitschaft beim Publikum Spaß an bizarren Themen zu finden. Ob es mordende Maschinenmenschen sind, eine tödliche künstliche Wolke, ein menschenleerer Militätstützpunkt, der nur eine Stunde später wieder im üblichen Alltag aktiv ist, ob es um Gehirnwäsche, Hypnose oder um eine zu Straftaten anregende Bauchrednerpuppe geht, an schrägen Ideen mangelt es nicht. Manchmal reicht auch der kleine augenzwinkernde Aufhänger, um eine an sich fast schon klassisch durchgezogene Agentengeschichte trotzdem noch stark verspielt erscheinen zu lassen. So sterben in einer Folge einflussreiche Politiker aus dem Ausland bei Staatsbesuchen durch tödlich ausgeführte Streiche, und ehrenhafte hochrangige Generäle a.D. begehen in einer Episode aus unerklärlichen Gründen höchst gefährliche Mutproben. Der Phantasie der Autoren sind keine Grenzen gesetzt, und selbst mit heutigen Sehgewohnheiten vorauszusehende Auflösungen schauen sich auf dem Weg zu dieser stets höchst unterhaltsam. Den Vogel schießt man mit jener Episode ab, in der es, kaum zu glauben, um eine menschenfressende Pflanze aus dem Weltall geht, was dann auch die einzige Folge dieser Staffel ist, in welcher die Auflösung ohne kriminelle Energie auskommt und somit nicht menschlicher Natur ist. So übernatürlich auch vieles erscheinen mag, meist stecken die Pläne irrsinniger Genies und vergleichbarer Täter hinter allem, was den Spaß an den schrägen Aufhängern jedoch keineswegs mindert oder gar bremst. 

Bereits in der farblosen Version bietet die Serie einiges an optischen Schauwerten. Ob es das geniale Mimenspiel der beiden Helden ist, die oft gewagten und sehenswerten Kostüme Peels, oder solch liebevoll gestaltete Handlungsorte, wie das psychedelische Maschinenhaus, in welchem Peel in den Wahnsinn getrieben werden soll, ein Augenschmaus jagt den nächsten, in mit Liebe zum Detail umgesetzten Trivialgeschichten, die zeigen wie anspruchsvoll man leichte Feierabendunterhaltung gestalten kann, der es trotz lauter Schauwerte nicht an geistreicher Umsetzung mangelt. Der gekonnte Mix aus Witz, Spannung und Action in der richtigen Dosierung tut sein übriges. "Mit Schirm, Charme und Melone" gehört zu jenen Beiträgen seiner experimentellen Entstehungszeit, in der sich im Laufe der Jahrzehnte keine unfreiwillige Komik eingeschlichen hat, eben weil man genau wusste welches Themenfeld man bedient.  OFDb

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