16.01.2022

DAS NETZ (1995)

Das Internet war für viele 1995 noch ein Mysterium, eine Welt die man nicht komplett verstand und welche rationale wie irrationale Gefahren verkörperte. Daten wurden ein hohes Gut, wurden zu Macht, und die Angst dass nur noch die Daten im Computer die Welt bestimmen könnten, war sicherlich nicht ohne Reiz, hätte in der Form wie hier vorliegend aber eher in eine Zukunftsgeschichte gepasst, anstatt in einer in der Gegenwart anvisierten Geschichte. Das unterstreicht die Verzweiflungstat im Drehbuch die Protagonistin extremst isoliert leben zu lassen, dass der Rest der Geschichte erst durch diesen Aspekt funktionieren kann (und selbst dann bleibt er durch schlichtere Sozialkontakte, wie dem Pizzalieferant, ein Wackelkandidat). Da sich zudem etliche klassische Mainstream-Aspekte mit eingeschlichen haben, allen voran die (an sich sympathische) Besetzung einer sexy Sandra Bullock, in der Rolle eines Pizza und Junkfood fressenden Couch-Potatoe-Computer-Nerds, kann aus "Das Netz" nie wirklich etwas großes Ernstzunehmendes werden. Nimmt man den Streifen nicht so ernst wie ihn seine Schöpfer nahmen, kann er als simpler Unterhaltungsfilm jedoch funktionieren, auch wenn Tiefgang ebenso fehl am Platz ist, wie eine stimmige Dramaturgie, oder ein Nerven kitzelnder Thrill. 

In der arg fantastischen Geschichte mit klar gezeichneten Gut- und Böse-Positionen ist es ein leichtes die zentrale Figur als Identifikationscharakter anzunehmen, erst recht beim unübersehbar anvisierten weiblichen Zielpublikum. So muss sich nicht nur ein Hacker gegen das System wehren, in welchem er sich stets wohl fühlte, als Frau muss sie auch den Sexisten in ihrem erhofften Urlaubsflirt erkennen, sich ihre Rechte in der Gesellschaft zurückerobern und dementsprechend den sexy Bikini gegen bodenständigere Kleidung tauschen, um ernst genommen zu werden. Analytisch geht nichts tief, wie man heraus liest, obwohl das Thema um Identitätsdiebstahl durch zu viel Informationen des Einzelnen im Netz spätestens durch die angewachsenen sozialen Netzwerke nichts von seiner Aktualität verloren hat. Ein "Der Staatsfeind Nr. 1" ging diesbezüglich im Mainstreambereich cleverer und spannungsgeladener an die Thematik heran. "The Net" (Originaltitel) kann man als Fingerübung für diesen und vergleichbare Werke bezeichnen, so früh wie er sich bereits der Thematik annimmt (obwohl vergleichbare Ansätze bereits im wesentlich intelligenteren und reflektierteren "Das fliegende Auge" von 1983 zu entdecken sind, freilich ohne Internetbezug). Produziert und inszeniert wurde der 90er Jahre-Thriller von einem damals über 60jährigen Irwin Winkler, für den das Internet scheinbar ebenso Rätsel war, wie für das anvisierte Publikum. 

Wie gesagt, unterhaltsam ist "Das Netz" ausgefallen, aber auch sehr unrealistisch und naiv. Da der Film aber derart konsequent lediglich Kinoatmosphäre atmet, kann man ihm nicht wirklich vorwerfen lediglich in der typischen Kinomentalität gefangen zu sein. Warum ein derartiger Trivialfilm jedoch so erfolgreich war, dass ihm gleich 3 Jahre später eine TV-Serie folgte und Winkler 2006 eine Neuverfilmung finanzierte, die er von seinem Sohn umsetzen ließ, verstehe ich nicht, es sei denn das verschenkte Potential von hier würde dort reumütig nachgeholt. Kurzweilig ist der Streifen aber definitiv ausgefallen. Die Besetzung macht in vielen kleineren, wie großen Rollen einiges wieder wett.  OFDb

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