Studenten begleiten mit ihrer
Doku-Ausrüstung einen Wilderer, der von sich behauptet ein Troll-Jäger
zu sein. Recht schnell müssen sie einsehen, dass der Mann keineswegs
lügt...
Trolle, werden viele denken, die jagen einem doch heutzutage keine Angst mehr ein. Und wer so denkt soll recht behalten, deshalb ist es auch gut, dass Regie-Debutant André Ovredal seinen Found Footage-Streifen zu Beginn zwar wie eine norwegische „Blair Witch Project“-Variante ohne Hexen einleitet, so richtig mit Spannungsaufbau und vielen dunklen Momenten im Wald, nach der ersten Trollbegegnung aber von diesem Weg abweicht, um eine Art Fantasy-Abenteuergeschichte zu erzählen. Der Horror funkelt nur noch in zweiter oder dritter Reihe durch, und der Ablauf der Geschichte geht dementsprechend anders vonstatten als in Konkurrenzprodukten.
Ein wenig zeigt Ovredal uns damit den Stinkefinger, hatte wohl jeder trotz (?) der Troll-Thematik bei dieser Art Film mit einem Beitrag des Horror-Genres gerechnet. Zumindest kann man diesen Eindruck bekommen, ist doch gerade der erste Troll das am wenigsten unheimliche Viech des Streifens, weswegen man zunächst nicht weiß, ob man es hier mit einem arg naiven Filmemacher zu tun hat, dessen Werk zum unfreiwillig komischen Trash wird oder eben nicht. Kurz darauf ist man schlauer.
Die für einen Found Footage-Film ungewöhnliche Laufzeit von über 100 Minuten wird keinesfalls langweilig, wenn der Nervenkitzel eines „Paranormal Activity“ oder wenigstens der Actiongehalt eines „Cloverfield“ fehlt. Denn nachdem das Doku-Team, bestehend aus drei Studenten, in die Existenz von Trollen eingeweiht ist, stellen sich für sie vielerlei Fragen, die sie je nach Filmphase in der Theorie oder in der Praxis beantwortet bekommen sollen. Ovredal möchte seine völlig unrealistische Geschichte nun möglichst glaubwürdig präsentieren, eröffnet uns eine Geheimhaltungs-Verschwörung der norwegischen Regierung, und simsalabim, der ganze Humbug weiß zu funktionieren, wenn der gute Trolljäger auf alles eine Antwort hat und gesehen mit seinen erfahrenen Augen vieles anders ist, als es für den Laien nach außen scheint.
Das ist schon ein Kunststück für sich, orientiert sich der Film schließlich nicht nur an Trolle die mehrere Meter hoch sind, sondern auch noch an Regeln aus den Märchen, in welchen sich das Viechzeug bei Licht in Stein verwandelt oder gar explodiert. Auch hierauf hat „Troll Hunter“ immer eine Pseudo-wissenschaftliche Antwort parat, die für den kurzen Augenblick in Kombination mit anderen gelüfteten Geheimnissen halbwegs glaubwürdig klingen. Hut ab!
Eine für Norwegenverhältnisse recht gute Computeranimation versucht ihr bestes diese Glaubwürdigkeit auch optisch zu unterstützen, aber so gut die Viecher auch animiert sind, zu oft sehen sie dann doch zu niedlich aus um uns wirklich täuschen zu können. In einem Massenauftritt in einer Höhle hat man gar den Eindruck, Jim Henson würde nun ein paar Monster-Muppets Einlass gewähren, so putzig sieht das ganze aus. Den einzig wirksamen Horror-Troll hebt sich Ovredal jedoch sowieso für das Finale auf, also ist das ganze auch irgendwie Absicht.
An sich sind die Trolle aber professionell animiert. Einzig wirklich negativ, da von den Bewegungen her unrealistisch, wirkt die Animation des Trolljägers, wenn er von dem von ihm aufgelauerten Vieh in seinem Schutzanzug durch die Luft geschleudert wird. Wo schnelle Bewegungen der Trolle stets an echten Bewegungen orientiert sind, wirkt der durch die Luft fliegende Körper, als ob er physikalischen Gesetzen ein wenig trotzen würde.
An solchen Kleinigkeiten braucht man sich jedoch nicht aufhängen, zumal „Trollhunter“ (Alternativtitel) kein reiner Special Effect-Movie geworden ist, sondern durchaus eine Geschichte erzählen will. Diese mag für den nimmersatten Action-Freak etwas geschwätzig ausgefallen sein, aber gerade das ständige Reden über die Gesetzmäßigkeiten der Trolle, über die Versuche der Regierung sie unter Kontrolle zu halten und die Gesellschaft zu täuschen, gehören meiner Meinung nach zu den Stärken des Filmes, dessen Geschichte man trotz großer Bemühungen Ovredals nie vollständig ernst nehmen kann.
Dessen ist sich der Regie-Neuling jedoch bewusst, beschert seinem Werk deshalb aber keineswegs einen ironischen Touch, sondern will uns viel mehr darin entführen sich einfach mal wieder der kindlichen Phantasie hinzugeben, jedoch auf erwachsene Art, die für alles irgendwelche Antworten benötigt. Auf alles gibt es diese aber nun doch nicht, aber das betrifft die Troll-Thematik nur gestreift und trifft auf Bereiche zu, die meiner Meinung nach auch ruhig Geheimnisse sein dürfen. So wird z.B. nie geklärt warum Trolle besonders stark auf Christen reagieren und ob das eine Bestätigung des Christenglaubens ist oder anderer Natur ist. Auch die Frage ob Moslems ähnlich gefährdet sind als Christen wird keineswegs zwischen den Zeilen in aller Stille beantwortet.
Viel wichtiger ist jedoch die Frage, die recht schnell im Raum steht und die Geschichte bis zu einem gewissen Teil beeinflusst: weshalb weiht der Trolljäger das Doku-Team in etwas ein, das seit Ewigkeiten geheimgehalten wird? Seine kurze Antwort zu Beginn, er wolle etwas gegen die klägliche Bezahlung und fragwürdige Behandlung seiner Berufsgattung unternehmen, wirkt nicht nur lückenhaft, sondern auch eher wie eine Ausrede, zumal sich im Laufe der Zeit herausstellt, dass er der einzige Trolljäger Norwegens ist. Schweben die Doku-Filmer auch außerhalb der Trollattacken in Gefahr? Ist der erst auf dem dritten Blick sozial wirkende Trolljäger überhaupt so nett und selbstlos wie es scheint? Oder liefert er die Crew irgendwann seinem Arbeitgeber aus, der wie verrückt hinter den Aufnahmen her ist und keinesfalls gut heißt, was der Trolljäger da zulässt?
Zwar ist schnell klar, dass auch dieser Film seine Geschichte auf typischen Found Footage-Spuren schließt, aber diese Fragen im Hinterkopf lassen einen dennoch neugierig dran bleiben, wenn das an sich vorhersehbare Finale naht. Je näher dies rückt, desto unwahrscheinlicher wird ein bösartiger Hintergedanke des Jägers jedoch, offenbaren sich im Laufe der Spielzeit doch immer mehr die Schattenseiten seines Berufes, auch wenn der Interviewer irgendwann idealisiert von einer Art Superhelden spricht. Sich selbst betrachtet der gute Mann eher als Müllentsorger. Ein kleiner Restzweifel über seine Beweggründe bleibt dennoch, was das Finale ein wenig schmackhafter macht.
Das ist auch ganz gut so, denn a) weiß ein übergroßer Troll zwar zu begeistern, einen Abenteuerfilm aber nicht einzig durch seine übermäßige Präsenz aufzufangen, und b) führt die Art der kompletten Erzählung nicht zwangsweise zu einer finalen Situation hin. Dafür wurde eigentlich zu viel geredet und könnte man eigentlich noch viel länger dem Jäger auf seiner Tour begleiten um immer wieder erstaunliche Tatsachen hinter dem Vorhang der Verschwörung aufzudecken. Irgendwann muss jedoch mal Schluss sein, aber eben nicht wegen einem abgerundeten roten Faden, sondern einfach damit der Film einmal endet.
Spätestens dies dürfte manchem Freund des Genres nicht schmecken. Erst wird einem kein Grusel beschert, ja nicht einmal ein fortlaufender Spannungsbogen, und dann plätschert die Geschichte auch noch nur vor sich hin, ohne einem wahrhaftigen Ende entgegen zu fließen!
Aber so wird nur jener Teil Zuschauer denken, für den „Trolljegeren“ (Originaltitel) gar nicht gedacht ist. Denn Ovredals Werk zieht seine Pluspunkte gar nicht aus dem Vordergründigen, sondern aus dem Spaß der Erfahrung, der Forschung und des Abenteuers, aus dem fantastischen Bereich ebenso wie aus dem natürlichen! Der bizarre Mix macht das Sehvergnügen aus. Und um hier möglichst glaubwürdig und authentisch zu sein, werden oben angerissene Kritikpunkte gar zu den Stärken des Streifens. Das ist einfach so. Mag „Troll Hunter“ auch der letzte Pfiff zum wirklich guten Werk fehlen, ich kann neugierigen und aufgeschlossenen Filmfreunden mit Hang sich auch mal einer naiven Geschichte hinzugeben durchaus eine Empfehlung aussprechen. Aber Vorsicht! Mir hat auch „The Happening“ gefallen. OFDb
Argh. Ich hab den überhaupt nicht gemocht, auch wenn er irgendwie ein wenig unterhalten konnte. Vielleicht lag es an der Form des Films oder tatsächlich an diesen seltsamen und wie aus den Drehbuchschreiber-Fingern gesaugten Geschichten, die du hinsichtlich des Trolljägers ansprichst. Die Prämisse finde ich auch toll, genauso auch das Aussehen der Trollviecher, die mir dadurch schon sehr bedrohlich vorkamen - dennoch wirkte der Film bei mir alles andere als stark, was vielleicht auch damit zu tun hat, dass er in keine Genre-Schublade passt. Nicht weil er es nicht will und sich weigert, sondern weil er es nicht schafft. Aber das ist jetzt keine Vermutung, die ich auch nach einer Sichtung unterstreichen würde.
AntwortenLöschenDeine Besprechung ist aber toll. :-)
Ich verstehe schon, wenn man mit "Troll Hunter" nichts anzufangen weiß. Er ist ein merkwürdiger Film. Wie Du schon sagst: er passt in keine Genre-Schublade. Letztendlich muss man als Kindskopf rangehen und gleichzeitig Spaß an Geschwätzigkeit haben. Da findet sich nur schwer ein Publikum.
LöschenMir hat Troll Hunter gefallen. Ich fands insgesamt frisch und unterhalten konnte er auch. Ein paar Sachen waren dann schon doof und unlogisch aber wenn ich Spaß habe interessiert mich das nicht weiter.
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