Im Fahrwasser der Blaxploitationwelle erblickten nicht nur sexy Actionmiezen wie "Cleopatra Jones" das Licht der Leinwand, sondern auch manche Horrorgestalt. Neben den "schwarzen Zombies von Sugar Hill" und der "Dracula"-Variante "Blacula" erschien auch eine "Dr. Jekyll und Mr. Hyde"-Version der schwarzen Bevölkerung unter dem Originaltitel "Dr. Black, Mr. Hyde", inszeniert vom selben Mann, der uns auch den farbigen Blutsauger bescherte. Als "Dr. Black und Mr. Hyde" im heimischen TV ausgestrahlt erkennt man dies auch als Deutscher schnell, unter dem ursprünglich erschienenen Titel "Das Monster von London" kann man jedoch Alles und Nichts vermuten, vielleicht sogar einen Grusel-Krimi im Wallace-Stil. Das London des Streifens ist ohnehin ein Los Angeles, ebenso wie die hier gelebte Mentalität nicht gerade in irgendeiner Weise britisch wirkt.
Inhaltlich lehnt man sich nur äußerst lose an den klassischen Gruselstoff um einen braven Arzt, der sein unzivilisiertes Ur-Ich erweckt, an. Letztendlich gönnt man sich trotz humorfreiem Produkt den Gag aus einem Schwarzen einen Weißen zu machen, wie auch der Alternativtitel "Dr. Black and Mr. White" verrät, so dass auf recht augenzwinkernde, nicht all zu aufdringliche Art Kritik am dominierenden Weißen geübt werden kann, der die schwarze Bevölkerung auf aggressive Art unterdrückt. Auf die Spitze getrieben wird dies im Finale mit einem Verweis auf "King Kong und die weiße Frau", indem beim Erklimmen eines Turms, angegriffen von einem Hubschrauber, Mr. White symbolisch als weißer Affe seinem kommenden Ende entgegen steigt.
Viel schlauer ist "Das Monster von London" nicht ausgefallen, verzichtet er doch aufgrund starker inhaltlicher Veränderungen auf den intelligenten analytischen Aufhänger des Originals und lässt aus seinem braven Doktor eher eine Art umherwütenden "Hulk" werden, der küchenpsychologisch Dr. Prides unterdrückten Hass auf Prostituierte mörderisch auslebt. Inmitten all des Schwachfuges den sich das Drehbuch beim Erzählen dieses psychologischen dünnen Plots erlaubt, zählt diese Idee noch zu den cleversten, die der Film zu bieten hat, ist er doch äußerst naiv und widersprüchlich ausgefallen. Mancher Fehler mag der deutschen Synchronisation geschult sein, ich weiß es nicht und konnte aufgrund fehlender Untertitel nicht den Originalton hören, aber insgesamt häufen sich hier Unsinnigkeiten verschiedenster Art, so dass man das Endprodukt beim besten Willen nicht mehr ernst nehmen kann.
Das beginnt bereits bei der Maskerade, die Pride als Hyde gerne mal unterschiedlich hell erscheinen lässt, manchmal gar komplett in Schwarz, jedoch nicht für die Handlung beabsichtigt, da Zeugen immer noch vom großen Weißen sprechen. Zudem wirkt Prides verwandeltes Ich nicht gerade einfallsreich oder gar bedrohlich, was recht schade ist, da der Film zu Beginn zeigt wie gut der simple Effekt grauer Haare und bleicher Farbe auf schwarzer Haut wirken kann, wenn Pride das Medikament zuvor an einer todkranken Frau testet. Ihre Verwandlung weiß zu schocken. Ein toller Effekt! Aber bereits im Verabreichen der Droge an ihr findet sich eine erste Unlogik, hatte Pride das Mittel doch bereits an einem Meerschweinchen getestet, erkannt dass es seine Pigmentierung verlor und andere Meerschweinchen im Käfig Angst vor dem Versuchstier hatten. Dieses lebte eine höhere Aggression als üblich aus, was Pride an einem Biss in den Finger am eigenen Leib erfahren musste. Und Stunden später entdeckt er lauter tote Meerschweinchen im Käfig, während das helle putzmunter auf den Leichen hockte. Wenn Pride der Patientin das Mittel spritzt, ist nie die Rede von einem weiterentwickelten Serum. Selbiges ist der Fall, wenn Pride sich das Mittel selber spritzt. Scheinbar ignoriert er willkürlich die Nebenwirkungen und glaubt trotz aller Ergebnisse an einen Erfolg, ohne je am Serum weiter zu forschen.
Wissenschaftlich herrscht hier ohnehin nur Unsinn, wird das Mittel der Todkranken doch ohne Voruntersuchung gespritzt, anhand des Wasserbeutels der Zustand der bislang dem Arzt völlig unbekannten Patientin überprüft, und im Labor darf der gute Mann Flüssigkeiten in unterschiedlich grellen Farben ineinander schütten, damit das Ganze nach tierisch wichtiger Forschung aussieht. Aber das ist einer der vielen Aspekte, die "The Watts Monster" (Alternativtitel) so sleazy wirken lassen, was dem ganzen Unsinn einen solch herrlichen Grundton beschert, dass man sich bei all den Unsinnigkeiten gut unterhalten fühlt und sich auf den nächsten kommenden Blödsinn freut, ohne dabei all zu schadenfroh auf das Gesamtprodukt zu schauen. Warum Pride die Einnahme des Serums mehrfach wiederholt wird nie thematisiert. Eine Kritikversuch am hohen Drogenkonsum in der Unterschicht, in der sich viele schwarze Amerikaner befinden, wird durch diesen Aspekt nicht anvisiert, der blitzt nur kurz auf, wenn ein Zuhälter Stress mit seinem Dealer bekommt. Zunächst vermutete ich eine Vergesslichkeit im Zustand des wieder zu sich selbst gekommenen Dr. Pride, doch auch diese Vermutung wird schnell widerlegt, so dass man erst recht nicht versteht, warum Pride stets immer wieder zum Serum greift.
Vielleicht würde man mehr verstehen, wenn man als Zuschauer Zeuge des Verabreichens wäre, aber ab der dritten Verwandlung bekommen wir nur noch Hydes Auftritte beschert, nicht den Moment der Injektion und somit der Verwandlung und des Grundes für die Einnahme. Auch der im Original so faszinierend eingebrachte Aspekt, dass der Doktor das Mittel irgendwann nicht mehr benötigt, um zu Mr. Hyde zu werden, wird nicht aufgegriffen, was dem hier Gezeigten ebenfalls mehr Sinn beschert hätte. Warum Dr. Pride ab einem gewissen Stadium auch in seinem normalen Ich ein geisteskrankes Verhalten temporär an den Tag legt, erschließt sich innerhalb der Geschichte ebenso wenig, zumal dies die Story in keinster Weise vorwärts bringt oder ihr neue Aspekte beschert. Nie wieder kommt man auf die Momente zu sprechen, in denen der sonst so soziale Pride wirr mit seinem Spiegelbild über das Morden von Prostituierten spricht oder racheschnaubend in einem Selbstgespräch einer Freundin den Tod prophezeit.
Selbst die Dramaturgie des Stoffes ist lediglich lächerlich ausgefallen, so z.B. beim überraschenden seelischen Zusammenbruch Prides, als er einer befreundeten Prostituierten von seinem Kindheitstrauma erzählt und aus dem sich stets im Griff habenden Gebildeten ein weinerliches Häufchen Elend wird. Die gute Frau hört geduldig zu, nicht wissend warum der Mann, der keine intensive Bekanntschaft mit ihr anvisiert, ihr das alles erzählt. Auch das soziale Ich des Protagonisten wankt immer wieder stark zwischen hoch ethisch einer armen Patientin Geld zusteckend, damit diese sich die dringend benötigten Medikamente leisten kann, und völlig ignorant, wenn der Doc empört darüber ist, dass eine Frau sich weigert sein Versuchstier zu werden. An solchen Stellen merkt man, dass Crain jegliches sensibles Gespür für zwischenmenschliche und psychologische Aspekte fehlt, weswegen der Streifen sich stets zu naiv und widersprüchlich guckt. Aber so soll es sein. So bereitete der Stoff mir einen unterhaltsamen Abend als sleazy Ausnahmeprodukt. Und dank der klischeebeladenen, geradezu typischen Hintergrundmusik seiner Zeit, wird dieses Gefühl dieser Art Unterhaltung auch immer wieder angenehm gepuscht. Von daher: wir sehen uns in einigen Jahren wieder, Dr. Black! OFDb
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