"Summer Wars" spinnt das heutige Nutzen des Internets weiter, angelegt in einer relativ nahen Zukunft, in welcher es üblich ist dass so ziemlich jeder privat, wie geschäftlich und auch für Behördengänge und Bankgeschäfte, online ist und dafür eine große Social Network-Plattform namens Oz benutzt. Da der Großteil des Streifens auf dem Land spielt, muss man sich nicht um ein komplett neues Zukunftsbild bemühen, so dass uns diesbezüglich lediglich die Neuerungen des erweiterten Internets präsentiert werden. Einfallslosigkeit kann man den Verantwortliches des Streifens aufgrund dessen jedoch nicht vorwerfen. Mag die Zukunftswelt sich ansonsten auch wie die Gegenwart anfühlen, wenn uns direkt zu Beginn des Streifens Oz präsentiert wird, sind wir mitten drin in der kreativen Gedankenwelt der Autoren und Animationskünstler, die uns auf ihre eigene, überraschend recht zugängliche Art, das Internet der Zukunft visualisieren und uns dabei anhand verschiedenster Zeichenstile hunderte von privaten fiktiven Online-Identitäten präsentieren, da jeder sein Aussehen in Oz individuell gestalten kann, um der zu sein, der man sein möchte.
Als Gegenpol zur etwas wilder und schräger wirkenden Online-Realität wird uns in wunderschönen Zeichnungen das reale Leben sehr authentisch auf den typischen Anime-Zeichenstil übertragen präsentiert, so wie Regisseur Mamoru Hosoda es uns bereits in "Das Mädchen, das durch die Zeit sprang" schmackhaft machte. Das ist nicht die einzige Übereinstimmung mit diesem liebevollen Vorgängerfilm besagtem Mannes. Auch die Detailliebe, der familienfreundliche Grundton in aufregendem Szenario, das Einbringen von Alltagskomik und der gefühlvolle Umgang mit den einzelnen Themen, sowie die Komplexität der zunächst schlicht klingenden Geschichte, sind Eigenschaften die auch "Summer Wars" ebenso wie der Vergleichsfilm besitzt. Man darf es als großen Pluspunkt betrachten, dass es die Japaner immer wieder schaffen eine wilde, aufregende Geschichte mit überraschenden Wendungen und dem Hang zu gewalttätigen Szenen derart emotional und familienfreundlich umzusetzen, so dass die ganze Familie, zumindest für Kinder ab 12 Jahren, ihre Freude mit dem fertigen Produkt haben kann. Dank des intellektuellen Grundtons werden die Erwachsenen als Zielpublikum nicht ausgeblendet, dank der wiedererkennbaren Alltagsgeschehnisse in lebensnaher Emotion gepackt bekommt sich jeder mit der Grundsituation identifiziert, bevor der fiktive Hauptaspekt sich über dieses realitätsnahe Grundkonzept legt.
Da klassische Animeelemente, welche europäische Zuschauer gerne als zu extrem und befremdlich empfinden, kaum vorhanden sind, bekommen auch Zeichentrickfreunde, die mit dem Japankino ihres Genres meist wenig anfangen können, guten Zugang zu dem Stoff, so dass sich ein Reinschalten definitiv für ein breites Publikum lohnt - vorausgesetzt man kann einer Geschichte auch folgen, ohne mit zusätzlichen Erklärungen an die Hand genommen zu werden. Man erwartet in "Summer Wars" ein Mitdenken des Zuschauers, oder zumindest eine aufmerksame Beobachtungsgabe. Der Streifen ist inhaltlich weit komplexer geraten als der typische Disney- oder Pixarfilm. In diesem Punkt ist der Streifen ein typischer Anime der anspruchsvollen Sorte und orientiert sich dementsprechend an ein Publikum, das auch inhaltlich Anspruch an einen Film stellt, anstatt wie das typische "Cars"- und "Ice Age"-Publikum stets auf Gewohntes, und damit auf Unterforderung und Berieselung, zu setzen.
"Summer Wars" ist lustig, abenteuerlich, dramatisch, respektvoll, actionhaltig, ironisch, ehrlich, er ist einfach menschlich ausgefallen in seiner facettenreichen Darbietungsform, und da man schnell Zugang zu den Hauptfiguren findet, ist man auch von Anfang an mittendrin in diesem wunderschönen Gefühl mit einer interessanten Geschichte unterhalten zu werden. Jede Nebenfigur bietet eine wahrhaftige Charakterzeichnung und ist damit mehr als das olle Abbild einer Klischeefigur, jede Einzigartigkeit eines Menschen wird respektiert, keine Eigenart der Lächerlichkeit preisgegeben, und dies ohne moralisch oder geheuchelt politisch korrekt zu wirken, wie Animationswerke gerne aus Amerika und Deutschland geartet sind. Feinsinn, Tiefsinn und eine hervorragende Beobachtungsgabe treffen auf eine spürbare Bedrohung, auf Warnungen dessen was mittels der neuen Möglichkeiten im Internet auf uns zukommen kann, aber auch auf eine bunte Verspieltheit. Diese ist besonders bemerkbar in den eben von mir erwähnten Internetidentitäten, die so bunt gewürfelt sind, dass sie in ihren Massenaufnahmen, gerade zum Ende hin, wie die wilde Parade aus "Paprika" wirken, dem weder die abwechslungsreichen und oft skurril dargebotenen Avatars des hier besprochenen Filmes, noch das Niveau der zu erzählenden Geschichte in nichts nachstehen. "Summer Wars" ist die Art Animefilm, die sich optisch wie intellektuell angenehm vom Anime-Einheitsbrei abhebt, um dem Zuschauer ein Kinoerlebnis der besonderen Art zu bescheren. In Vergessenheit gerät ein solches Werk nach dem Sichten nicht mehr. OFDb
Ich bin ja kein großer Animefilm-Konsumierer, aber den hier kenne ich und fand ich ziemlich gelungen, gerade auch aufgrund der intelligenten, tiefergehenden Geschichte.
AntwortenLöschenDann kann ich Dir "Das Mädchen, das durch die Zeit sprang" ebenfalls nur als Tipp mit auf den Weg geben.
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