18.11.2019

MESSER IM HERZ (2018)

Der sinnlich klingende Titel, der erst gegen Ende faktisch in den Film tritt, kann als Provokation gesehen werden, wenn die Opfer von einem Mörder mit Phallusmesser in den Hintern hinein erstochen werden. Aber der ohnehin auf Provokationen und direkte Thematisierung gebürstete Film ist in seiner morbid verträumten und hübsch fotografierten Art nicht wirklich dem reißerischen Ergebnis zugeneigt, sondern dem sanften. Er kommt verträumt, dramatisch und sehnsüchtig daher, während er stilistisch mit seiner Thematisierung und Farbsetzung eine Hommage an den italienischen Giallo ist. Gerade zu Beginn gibt es einige Aufnahmen, die Mario Bava heute so inszenieren würde, wenn er noch leben würde und Franzose wäre. Und Dario Argento bekommt während einer farbenfrohen Autofahrt eine sehr direkte Ehrerbietung auf sein Meisterwerk "Suspiria" beschert. Der Aufhänger der hier gewählten Mordwaffe und der Körperstelle, in welcher er eingesetzt wird, ist alternativ bekannt aus besagter harten Krimi-Richtung Italiens durch Werke wie "Die Todesbucht" und "Das Geheimnis der grünen Stecknadel", und der Einsatz des toll anzusehenden Killers bleibt dem Vorbild-Genre ebenfalls treu.

Allerdings interessiert sich Yann Gonzalez ebenso intensiv für den sexuellen Bereich. Der würde im Umfeld der Geschehnisse ohnehin nicht auszublenden sein, Gonzalez zelebriert die Nacktheit und Geilheit hier jedoch regelrecht, dies frei von Pornografie in überraschend deutlichen Bildern, vom Gehalt her den Film meiner Meinung nach jedoch ein wenig überfrachtend. Etwas mehr hätte man sich schon dem Krimi-Bereich zuwenden können. Stimmt die Gewichtung in der ersten Hälfte noch, so wirkt die zweite etwas zu schlüpfrig und voyeuristisch geraten, dies zwar nie ohne beeindruckende, künstlerisch wertvolle Bilder und Analysen zeitgleich abzuliefern, jedoch etwas zu sehr auf einen sexuellen Rausch setzend, der mich nur ansatzweise angefixt hat. Hierdurch erkennt man deutlich das Herkunftland Frankreich, welches gern derartige Themen hart und bizarr bis surreal präsentiert, so auch hier, rutscht das Werk teilweise doch fast in den Fantasybereich ab, bevor eine etwas arg plumpe Auflösung beweist, dass doch alles in der Realität stattfindet. Um interessante Auflösungen war das Genre des Giallo ohnehin kaum bemüht, der Weg war das Ziel. Und der ist selbst als wackelige Angelegenheit in "Messer im Herz" beeindruckend anzuschauen. Man staunt selbst dann noch fasziniert und genießt das Bildermeer, wenn man von der falschen Schwerpunktsetzung enttäuscht ist.

Der Mix aus Gewalt und Sinnlichkeit, der den kompletten Film begleitet, in der Eingangssequenz jedoch mitunter am effektivsten eingefangen wird, packt einen ähnlich wie die romantische Ausweideszene aus "Repo Men" oder die weichherzigen Amokläufe aus "I'm A Cyborg, But That's Okay". Hier ist "Un couteau dans le coeur" (Originaltitel) großes Kino, geradezu gemacht für dieses Medium, wohingegen der dominante Blick auf das sexuelle Umfeld in dieser Extreme nur jenen gefallen dürfte, die tatsächlich des öfteren im französischen Kino zu Hause sind. Trotz geradezu provokativ angegangener Direktheit und Deutlichkeit verkommt das Ergebnis jedoch nie zu einem reinen Provo-Film wie "La bête" oder "Meine Mutter", dafür ist "Messer im Herz" dann doch zu poetisch, geistreich und sexuell befreiend ausgefallen. Dass er in den 70er Jahren spielt, passt hervorragend zu seinem Giallo-Herz, das in ihm schlägt, sowie der fast schon Leatherface-artige Mörder zu seiner Phalluswaffe passt, nutzte der Kultkiller Hoopers seine Kettensäge spätestens in "The Texas Chainsawmassacre 2" doch ebenfalls unübersehbar in dieser Symbolik. Gonzalez Werk ist somit stilistisch, analytisch, wie inhaltlich eine Liebeserklärung an das alternative Kino, vielleicht manchmal eine Spur pseudo-intellektuell ausgefallen, aber trotz all seiner Fehler effektiv genug umgesetzt, um einen in seinen Bann zu ziehen.  OFDb

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