"Ein Mann sieht rot" war ein Skandalfilm der 70er Jahre, aber auch ein äußerst erfolgreiches Produkt. Zwar vier Jahre später spielend, aber acht Jahre nach Teil 1 entstanden, hat sich Hollywoods Action-Kino in dieser Zeit bereits verändert. Die komplette Akzeptanz von Gewalt sollte sich zwar erst durch Werke wie "Lethal Weapon" endgültig zuspitzen, eine gewisse Gewöhnung zum Thema Selbstjustiz lässt sich in "Der Mann ohne Gnade" jedoch bereits feststellen, stehen dem unbekannten Rächer doch diesmal gelegentlich spontane Helfer zur Seite. Durch sie attestiert der an sich neutral erzählte, Moral-freie Film eine Legitimation im Tun des Vigilanten, oder zumindest eine Sympathie gegenüber sein ungesetzliches Tun. Das wurde im Erstling aufgrund von Nachahmungstätern und Befürwortern in der Gesellschaft noch als kritische Entwicklung gesehen, welche die Polizei zu ungewöhnlichen Maßnahmen zwang, vom gesellschaftspolitischen Aspekt ist in Teil 2 jedoch kaum mehr etwas bemerkbar, wahrscheinlich aufgrund eines Wechsels des Drehbuch-Autors.
Ansonsten kommen die wichtigsten Personen des Projektes erneut zusammen. Neben Charles Bronson gibt es weitere bekannte Gesichter aus dem Vorgänger zu entdecken, und erneut übernahm Michael Winner die Regie. Mag "Death Wish 2" (Originaltitel) auch weniger anspruchsvoll daher kommen und zu Beginn etwas zu penetrant den Stoff von Teil 1 variieren, unterhaltsam ist die Fortsetzung dennoch ausgefallen, weit plumper provozierend als das durchdachte Erstling, aber erneut atmosphärisch dicht erzählt und mit gelegentlichen Spannungsmomenten versehen. Das Töten gezielter Personen aus Rache weiß nicht ganz so stark zu schockieren, wie die vergleichsweise wahllosen Taten Pauls vier Jahre zuvor, die eiskalte Art, die Berechenbarkeit dahinter und die Zielsicherheit lassen dennoch niemanden kalt. Zudem ist die Hemmschwelle geringer. Paul riskiert mittlerweile intensiver erkannt zu werden und schleicht nachts nicht mehr nur durch die Stadt, sondern lässt selbst einen Psychatrie-Aufenthalt eines der Täter weder als Hindernis, noch als gerechte Strafe gelten. Es geht somit nicht mehr nur um das mangelnde Ergebnis der Polizeiarbeit und nicht mehr nur um den Jagdtrieb und dem daraus resultierenden Nervenkitzel.
In der sinnloseren Variante gibt es freilich keinen psychologischen Übergang mehr vom gewöhnlichen Mann zum rachsüchtigen Kriminellen mitzuerleben. Aber sonderlich sinnvoll ist das Drehbuch insgesamt ohnehin nicht ausgefallen, integriert es doch beispielsweise den New Yorker Cop von einst auf wenig glaubwürdige Weise ins Geschehen. Man verzeiht es dem Film, da diese Unsinnigkeiten meist zu interessanten und effektiven Momenten führen, die einen guten Teil der Stimmung des Streifens ausmachen. Diesmal den Bereich des Dramas fast vollkommen ausblendend, wirkt der Umgang Pauls mit seiner Lebensgefährtin umso kühler, gerade weil er sie belügt und hintergeht, ihr gleichzeitig aber auch einen Heiratsantrag macht. Man erlebt seelisches Leiden quasi über sie, und dies auch meist nur aus Pauls Blickwinkel, anstatt über ihn als Hauptfigur. Er selbst steht eher für die seelische Abstumpfung seiner Zeit, das sorgt für eine andere Art Distanz, als im Vorgänger. Der einzig nennenswerte Schwachpunkt von "Death Wish 2 - Der Mann ohne Gnade" (Alternativtitel) ist die zu lange und zu detailreiche, und damit zu sehr auf reißerische Schauwerte, getrimmte Vergewaltigungs- und Überfallszene, die man zu Beginn erdulden muss. Sie fällt selbstzweckhaft aus und schockiert weder währenddessen, noch in ihrem Ergebnis so intensiv wie die ebenfalls nicht kurz ausgefallene Vergleichssequenz von Teil 1. Sie widert lediglich an, jedoch eher auf die Verantwortlichen des Filmes bezogen, als auf die fiktiven Täter. Ansonsten funktioniert "Der Mann ohne Gnade - Death Wish 2" (Alternativtitel) als simpler Trivialfilm bei wenig Erwartungen jedoch recht gut. OFDb
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