11.03.2013

RATTEN - SIE SIND ÜBERALL (2002)

Eine Kundin wird in einem noblen Kaufhaus von einer Ratte gebissen. Ein Experte wird engagiert, der die Viecher diskret aus dem Weg räumen soll. Dieser stellt fest, dass der Befall ein weit aus größeres Problem ist als zunächst vermutet. Die Ratten tauchen überall in der Stadt auf, und sie haben keine Angst mehr vor dem Menschen...
 
Die Kakerlaken der Säugetier-Welt...
 
Mit Tierhorror-Filmen, die sich die Thematik Rattenbefall ausgesucht haben, ist das so eine Sache. Im eigentlichen Sinne gibt es bei neueren Produktionen keine wirklich gelungenen Beiträge. Allerdings wissen einige mit etwas Augen zudrücken zu gefallen, sind dann aber nur dem Genre-Fan zu empfehlen. So war es bei „Rats – Mörderische Brut“ der zumindest Fast-Star Ron Perlman zu bieten hatte, und so ging es der Pro 7-Produktion „Ratten – Sie werden Dich kriegen!

Wirklich schlecht ist davon keiner, aber ernst nehmen kann man sie durch ihre Thematik auch nicht wirklich, zumal sich in den meisten Produktionen noch zusätzliche Lächerlichkeiten durch Schauspiel oder Drehbuch einschleichen. Frei sprechen kann sich von dieser Lächerlichkeit eigentlich nur „Willard“ (alt wie neu) und seine Fortsetzung „Ben“. Erster zählt ohnehin nur bedingt dazu, da es hier zwar an der Oberfläche um Ratten geht, die eigentliche Thematik sich aber mit dem Abrutschen in den Wahnsinn befasst. „Ben“ kommt durch die Vernichtungsjagd in der Kanalisation noch am ehesten an den heutigen Tier-Horror heran und geht inhaltlich auch bereits in eine gewöhnlichere Richtung.

In eine Richtung, die auch „Ratten – Sie sind überall“ betrifft. Auch der mit Mädchen Amick halbwegs prominent besetzte Streifen weiß den Genrefreund zu unterhalten, aber auch eben nur dem. Der Tier-Horrorfan gibt sich in der Regel mit schlichter Ware ab, ihn kümmert Unsinniges höchstens am Rande und Routine ist ihm egal. Keiner kann behaupten „Rats – Sie sind überall“ (Alternativtitel) wäre mit Überraschungen versehen und wendungsreich erzählt. Der Film folgt brav dem Muster seines Sub-Genres.

Gruselig ist er auch nicht. Da müsste man schon mehr Angst vor Ratten haben, als es für Menschen mit Rattenangst typisch wäre. Man bräuchte so viel Angst vor den Viechern wie die Figuren dieses Filmes. Da wird gekreischt wenn ein solches Vieh vor dem Fenster hockt, da wird der Kammerjäger von einem Handlungsort zum nächsten gescheucht, um manchmal lediglich ein Einzelexemplar zu terminieren. Da macht das Wort Ratte die Leute schon ähnlich wahnsinnig wie das Wort Tomate in der Subgenre-Parodie „Angriff der Killertomaten“ (der sich trotz Obst bewusst am Tierhorror orientiert).

Die extrem hochgeschaukelte Rattenpanik ist einer der Gründe, warum der Film nur dem Stammpublikum zu empfehlen ist, denn das Theater um die Nager ist schon sehr lächerlich. Unterstützt wird es mit den unglaublichsten Informationen über Ratten, die der Kammerjäger von sich gibt. Ich kenne mich nicht aus, aber vieles was er sagt klingt arg hochgegriffen und ins Reißerische gezogen. Glaubt man seinen Worten, so müssten die Viecher ebenso hartnäckig wie Kakerlaken sein.

Man guckt einen Film wie „Ratten – Sie sind überall!“ aber schließlich nicht um sich Nagerstudien anzuhören und daraus zu lernen, sondern um oberflächlich unterhalten zu werden. Und diesen Wunsch kann der von John Lafia umgesetzte Beitrag erfüllen. Der Mann, der „Chucky – Die Mörderpuppe“ schrieb, Teil 2 selbst drehte und mit kleinen Werken wie „Monster - Der Horror einer Stadt“ schlicht zu unterhalten wusste, schafft das was er immer schafft: den netten kleinen Film für zwischendurch.

Er reichert die typische Durchschnittsgeschichte mit einem ebenso typischen Zusatzrezept an: die Ratten sind genetisch manipuliert. Darauf kommt der Film jedoch erst spät zu sprechen. Das finde ich auch gut, denn der Streifen ist ein wenig krimiorientiert umgesetzt. Wir haben einen Ausgangspunkt, dann wird geforscht und untersucht, dann hat man ein Ergebnis und erst dann wird gehandelt.

Aufregender wäre das Ergebnis sicherlich, wenn hier Menschen einen Fall untersuchen würden, bei dem man ebenso im Dunkeln tappt wie die Protagonisten. Dummerweise befinden wir uns aber in einem Routinefilm, der zudem ein x-fach umgesetztes Thema lediglich neu aufwärmt. Die Wahl der Erzählweise ist dennoch positiv zu nennen, denn nur außerhalb des Hauptstrangs bekommen wir reißerische Szenen präsentiert. Da fallen Ratten über Badegäste her, da wird wem das Ohr abgerissen, ein Nager faucht ein Kind vom Klo aus an. Das sind sicherlich alles Szenen wofür man einen solchen Film überhaupt anschaut, aber es tut trotzdem gut mehr präsentiert zu bekommen als lediglich nur Schauwerte.

In der Hauptstory darf man zwei Charaktere begleiten, die für eine B-Produktion überraschend angenehm gecastet und sympathisch geschrieben wurden. Sie ist eine Karrierefrau, bei der das Klischee Karrierefrau fast kaum auftaucht. Sie ist hübsch aber weder Püppchen noch Snob. Gespielt wird sie von Mädchen Amick, die schauspielerisch die Gradwanderung hinbekommt zwischen Stolz und der menschlichen Seite mit Schwächen. Dadurch wirkt ihre Rolle niemals böswillig arrogant, sondern es wird deutlich, dass die Arroganz das Kostüm zum Schutz vor äußeren Einflüssen ist.

Er darf den Zuschauersympathisant spielen, benimmt sich nie dumm, nervt auch nicht anderweitig, benimmt sich der Frau gegenüber nett und freundschaftlich und geht konsequent seiner Arbeit nach. Äußerlich erinnert er ein wenig an Richie, einer Nebenfigur der ersten beiden Staffeln „King of Queens“.

Dass beide ein Liebespaar werden steht von Anfang an fest, ist also auch typisch 08-15, weiß aber durch seine natürliche Entwicklung zu überraschen. Die Frau gesteht sich die Liebe ehrlich ein, wenn sie von ihrem Kind drauf angesprochen wird, und eigentlich ist das ganze Pärchengeschehen auch unbeachtete Nebensache. Nie drängt sich das Entstehen einer Liebe in den Mittelpunkt. Haupteckpfeiler soll die Rattenbedrohung und die darauf aufbauende Ermittlung bleiben.

Trotzdem ist das Thema da, und das muss in Amerika wohl so sein, denn auch ein weiteres Klischee darf als Zusatzrezeptur der Gesamtstory auftauchen, ohne wirklich von Belang zu sein: der böse Politiker, der von der Bedrohung nichts hören will.

Man liest es heraus: Ein Klischeemeer hoch zehn! Es wäre ein Graus für jeden Zuschauer, wenn das Teil nicht so kurzweilig und sympathisch umgesetzt wäre. Für das große Publikum ist er nicht nur zu gewöhnlich, sondern auch zu unsinnig. Aber dem Genrefreund kann ich dieses Schmuddelfilmchen durchaus empfehlen. Zumal die Rattenszen zu überzeugen wissen. Es gibt zwar immer wieder Sequenzen, in denen Computeranimationen schlicht wirken, das ist aber nur in Massentier-Aufnahmen der Fall, und selbst dann betrifft es nur einzelne Teilbereiche im Bild und nie die gesamte Optik.

Es ist schön, dass Computereffekte mit echten Tieraufnahmen gemixt wurden, auch wenn es inhaltlich unsinnig erscheint. Denn die genetischen Ratten sind wesentlich kräftiger als natürliche Nager. Nach dieser Info darf man trotzdem weiter normale Ratten sichten. Aber wer klagt schon über solch banale Bereiche der Unlogik, wenn im selben Film eine Krankheit nach einem Rattenbiss als Aufhänger der Hysterie genommen wird, die Krankheit selbst aber nie wieder zentrales Thema wird. Da kann im Finale die Heldin auch ruhig mal in ein Schwimmbecken voller beißfreudiger Ratten fallen und ihr zukünftiges Schatzie sie mit blanken Händen aus dem Rattenmeer herausfischen. Die Panik nun eventuell erkrankt zu sein wird nicht einmal angesprochen.

„Ratten – Sie sind überall“ (übrigens ein Film, dessen Namen man nach Sichten nicht widersprechen kann) ist wie man liest eine wackelige Angelegenheit. Aber auch außerhalb unfreiwilliger Komik weiß diese Art Film zu unterhalten. Lafias Film ist nicht nur ein Hingucker wegen seiner Peinlichkeiten, sondern weiß durch seinen flotten Erzählstil, einer netten Charakterzeichnung und für eine B-Produktion guten Spezialeffekte auch auf gewollter Ebene zu unterhalten. Der wackelige Vorspann und die an „Willard“ angelehnte, peinliche Einleitung mit dem Hausmeister der Hauptrolle lassen einen zunächst schlechteres vermuten.  OFDb

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