23.05.2020

HIGH FIDELITY (2000)

"High Fidelity" zeichnet sich nicht nur damit aus gekonnt den Herzschmerz mit all seinen Facetten lebensnah einzufangen, innerhalb einer Situation die längst nicht so Schwarz/Weiß gezeichnet ist, wie im US-Kino gerne üblich, er ist auch insgesamt äußerst stilsicher, gut beobachtet und empathisch ausgefallen. Das sieht man zum einen in der authentischen Charakterzeichnung der Hauptfiguren, die alle weder glänzende Vorbilder sind, noch das Gegenteil und deren Beweggründe nur selten rational begründet sind, es zeigt sich auch beeindruckend in der Umsetzung der Szene, in der alles spielt. Ein Soundtrack, der wie die Faust aufs Auge passt, wohl überlegte Plattensammlungen und Vinyl-Sortimente im Geschäft, Themen-bezogene Dialoge mit Insider-Kenntnissen, sowie die hier gelebten Mentalitäten, die nur leicht Stereotype streifen, seien nur einmal genannt, um oberflächlich abzugrasen wie gekonnt hier über Musikinteressierte berichtet wird. Von elitären Menschen wird da einmal sogar ganz offen geredet, was nur eine von vielen ausgezeichnet gut reflektierenden Momenten ist in einem Film, der, wahrscheinlich dank der Buchvorlage, ohnehin genau darin eine seiner größten Stärken besitzt. Um dem Ganzen noch eins drauf zu setzen liefert "High Fidelity" zudem eine tatsächliche Lösung des Lebenproblems, welches Rob durchmacht. Im Gegenzug ist die Versöhnung mit Laura weder als zwingend notwendiges Hollywood Happy End inszeniert, noch folgt sie einer logischen Konsequenz. Aufgrund der Charakterzeichnungen passt sie psychologisch gesehen aber exakt in das Umfeld, die Umstände und das Seelenleben der beiden und ist somit in seiner irrationalen Art ebenfalls höchst authentisch ausgefallen.

Dem Drehbuch gelingt der Kniff immer zu wissen wann etwas auch mal Comic-artig übertrieben gehört, um den Humoreffekt zu erhöhen (beispielsweise in der herrlich überdrehten Maskerade, mit der Tim Robbins in einer Nebenrolle so angenehm unangenehm zu glänzen weiß), ohne dem Werk seinen lebensechten Anstrich zu nehmen. Mit diesem Gesamtrezept schaut sich der Streifen mit seinem hohen Anspruch an sich selbst lockerleicht und kurzweilig inszeniert, trotz dramatischer Schwerpunkte, die tatsächlich ernst genommen werden, nie schwerfällig oder zu stark Richtung Tragikomödie schwenkend inszeniert, und so ist Regisseur Stephen Frears ein unglaublich sehenswerter, überzeugender und lebensbejahender Film geglückt, über Gefühle, die fast jeder nachvollziehen kann, angereichert mit Analysen über das Leben und die Gesellschaft, die einem oft genau die klaren Worte servieren, die man selbst nicht hätte ausformulieren können. Frears ist gekonnter Routinier, ist bereits seit den 60er Jahren Regisseur und hat in unterschiedlichen Genres schon vorher längst bewiesen, was er kann. Stellvertretend sollen hier nur einmal das Horror-Drama "Mary Reilly" und die Komödie "Ein ganz normaler Held" genannt sein, alles Werke die ein breites Publikum ansprechen, ohne an Mainstream-Krankheiten zu leiden.

Neben ihm und dem hervorragenden Drehbuch weiß auch die treffsichere Besetzung die Qualität des Streifens zu stützen. John Cusack, der "High Fidelity" mit produzierte, schaut sich wie die Idealbesetzung der Hauptrolle, die unbekannte und unglaublich charismatisch besetzte Iben Hjeljle trifft als weiblicher Mit- und Gegenpart derart ins Schwarze, dass man sich niemand anders in der Rolle vorstellen möchte, Tim Robbins ist Trumpf wie immer, Joan Cusack überzeugend in einer kleinen, aber interessant herausgearbeiteten Rolle mit dabei, Jack Black spielt üblich überdreht und ist dennoch sensibel spielend dabei und darf somit für die ein oder andere Überraschung sorgen, Lisa Bonet lässt sich ebenfalls kaum anders besetzt vorstellen, Catherine Zeta-Jones spielt gekonnt eiskalt wie fast immer, und Todd Louiso gelingt das Kunststück seine Figur komplett introvertiert anzusetzen, ohne sie auch nur im Ansatz der Lächerlichkeit Preis zu geben oder unrealistisch wirken zu lassen. Somit zählt "High Fidelity" zu den Glückstreffern, bei denen wahrlich alles stimmt, weil sich hier Menschen zusammengefunden haben, denen die Umsetzung der Buchvorlage nicht nur sehr wichtig war und die nicht nur mit äußerst viel Respekt an das Projekt herangegangen sind, sondern auch verstanden haben auf was zu achten ist, wie der Stoff gemeint ist und wie dieses großartige Drehbuch umgesetzt werden muss. Der Film bietet dem Zuschauer Erkenntnisse, Wiedererkennungswert und vielschichtigen Unterhaltungswert in bester Kino-Professionalität, so dass er zu einem jener Werke wird, die man sich wahrlich immer wieder angucken kann, ohne dass Abnutzungserscheinungen zu erkennen sind.  OFDb

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