29.06.2017

MAKO, DIE BESTIE (1976)

Der Horrorfilme mit Öko-Botschaft gab es in den 70er Jahren viele. Während „Barracuda“ beispielseweise eher ein Öko-Krimi mit Horrorfilm-Touch war, der seine Botschaft zum Thema Naturschutz sehr deutlich ausführte, ist „Mako, die Bestie“ ein zweischneidiges Schwert. Zwar nimmt er auf der einen Seite die Tiere in Schutz und plädiert für einen respektvollen Umgang mit den Bewohnern der Meere, auf der anderen Seite stellt er sie jedoch als blutrünstige Wesen da, so als ob jeder Hai ein Menschenfresser wäre und auf nichts weiter warten würde als endlich über einen von uns herfallen zu können.

In „Mako, der Killerhai“ (Alternativtitel), in welchem es weder um einen einzelnen Hai geht, noch dass ein gewisser Mako von ihnen je im Zentrum stehen würde, geht es angelehnt an den recht erfolgreichen „Willard“ um einen Menschen, auf dessen Befehl Tiere morden. Was dort die Ratten waren, sind hier die Haie, und von denen sehen wir einzig reale Aufnahmen, Attrappen kann da suchen wer will. Die Aufnahmen sind zwar nicht so aufregend wie uns der Off-Kommentar zu Beginn des Films weißmachen möchte, einen gewissen Respekt kann man dieser Vorgehensweise jedoch entgegen bringen.

Ohnehin ist „Jaws of Death“ (Alternativtitel) theoretisch recht anständig umgesetzt. Er konzentriert sich auf seine Geschichte, kommt ohne zusätzliche Effekthascherei aus, ist in aller Seelenruhe erzählt und bietet zudem einen Aufhänger, der ihn zu mehr macht als zum reinen „Der weiße Hai“-Mitläufer. Nur leider ist das Ergebnis höchst langweilig ausgefallen. Den Haien geht es mehr ans Leder als den Menschen, und den mal wutschnaubenden, mal lammfromm naiven Sonny dabei zuzusehen, wie er sich für seine Freunde einsetzt, interessiert auf Dauer niemandem wirklich. Im Gegenzug zu seinen Szenen dürfen wir aufgrund der realen Aufnahmen nur angedeutete Haiattacken sichten, rote Farbe inmitten von Wasser sorgt für den schnarchigen Rest.

Wie uninspiriert die eigentlich reizvolle Geschichte erzählt ist, merkt man besonders deutlich anhand einer Rückblickszene, in der wir erfahren wie Sonny an sein Amulett geraten ist. Zwar will uns der Off-Kommentar weiß machen, unser Held hätte nach dem Durchschwimmen eines Haigewässers, ohne Schaden davon zu tragen, einen mystischen Ort mit einem sonderbaren Mann gesichtet, viel mehr sehen wir jedoch einen alten Tattergreis vor einer billig errichteten Strohhütte hocken. Und wenn die Worte im Off uns von einer magisch klingenden Zeremonie berichten, sehen wir gleichzeitig bei etwas zu, das banaler nicht ausfallen könnte. Kult sieht anders aus. Jeder Mann, der seiner Frau eine frisch geschenkte Kette anlegt, müsste nach Logik des Films damit eine Zeremonie abhalten. Viel mehr Taten vollzieht der gar nicht weise und mystisch wirkende alte Opa an Sonny auch nicht.

Man hätte mehr aus „Mako, die Bestie“ herausholen können, aber allein die Besetzung reißt bereits nichts raus. Sonny wird von einem Irgendwer dargestellt, dem es am nötigen Charisma fehlt. Einzig wenn er mit Taucherbrille bekleidet wie eine Bedrohung mit seinem Gesicht aus dem Wasser ragt, erinnert er ein wenig an die Soldaten aus „Die Schreckensmacht der Zombies“, was aber hauptsächlich an seinen blonden Haaren liegt. Die weibliche Hauptfigur nervt penetrant, der Rest spielt schnarchig oder routiniert, ein Zustand zwischen dem auch der eigentliche Film hin und her pendelt. Mir hat er nicht gefallen. Ich greife beim nächsten Mal lieber wieder zu besagtem Ratten-Horror oder zu „Kuss der Tarantel“. Dort nutzt ebenfalls jemand Tiere als Mordwaffe.  OFDb

PIECES - STUNDEN DES WAHNSINNS (1982)

Ich persönlich mag ihn ja, diesen „Pieces“, von dem man wahrlich nicht behaupten kann, dass er ein Glanzstück seines Genres wäre. Allein bei der deutschen Synchronisation mitzuhalten ist gar nicht so einfach, spricht doch fast jede Rolle schlecht betont, häufig auch desinteressiert und gelangweilt. Das kann für den einen den augenzwinkernden Spaß eines Filmes erhöhen, der ohnehin wenig Sinn ergibt, für die andere Art Zuschauer kann es der Todesstoß eines Filmes bedeuten, der ohnehin nervte. Dass „Pieces - Der Kettensägenkiller“ (Alternativtitel) lediglich auf den reißerischen Effekt aus ist, ohne psychologisch verschmitzt hinten herum zu trumpfen, erkennt der Allerletzte spätestens in der Schlusssequenz, die eine Art finaler Gag darstellen soll. Der macht weder realistisch, noch auf Filmebene Sinn, ist einfach ein derber Goreeffekt für sich und damit eine Szene die nach dem Abspann besser aufgehoben gewesen wäre.

Grobschlächtig geht unser Killer vor, an harten Bildern wird nicht gespart, was spätestens jene aufjubeln lassen dürfte, die sich selbiges bei Hoopers „Texas Chainsaw Massacre“ erhofft hatten. Grobschlächtig geht jedoch auch das komplette Drehbuch mit seinen Figuren um. Hier gibt es nur hohle Holzhammer-Klischee-Charaktere, die oftmals nicht einmal ihren Sinn erfüllen (siehe der Kommissar). Was sie tun, wonach sie aussehen und warum sie etwas tun ergibt nur selten Sinn, und manch einer, ganz besonders der Gärtner, verhält sich derartig übertrieben verdächtig, dass er als Täter bereits ausscheidet. Warum der Gärtner selbst dann noch auf völlig dämliche Art zwielichtig guckt, wenn er als Täter bereits ausgeschieden ist, weiß wohl nur sein Darsteller. Vielleicht wollte er auch nur konsequent sein, das würde ja schon wieder so etwas wie Sinn ergeben.

Doch so sehr man sich auch über die vielen Unsinnigkeiten von „The Chainsaw Devil“ (Alternativtitel) lustig machen kann, an mancher Stelle weiß er als Horrorfilm wahrlich zu wirken. Nicht nur dass seine harten Szenen wirklich derart derbe ausgefallen sind, dass ein Würgereiz entstehen kann, auch manche Suspensemomente hat Regisseur Juan Piquer Simón durchaus im Griff. Wenn der Mörder seine Opfer durch düstere Gänge oder Straßen verfolgt, stimmt der Mix aus Optik, Hintergrundmusik und düsterer Atmosphäre. In solchen Momenten strahlt „Pieces“ jene Art Pulp aus, die man auch so an italienischen Giallos mögen kann. Recht gut vergleibar in seiner völlig realitätsfernen und doch funktionierenden Art ist „Pieces“ mit „Die Nacht der blanken Messer“, wird einem doch hier wie dort lediglich unsinniger Nonsens geboten, der aber derart kurzweilig und streckenweise recht atmosphärisch umgesetzt wird, dass zumindest der Schundfilm-Freund seine Freude damit hat.

„Pieces“ schaut sich wie ein interessanter Mix aus italienischem Giallo und dem zu seiner Entstehungszeit gerade beliebt gewordenen Sub-Genre des Slashers. Der Killer benötigt hier keine Gesichtsverkleidung, er wird auf Giallo-Art nur von Fuß bis Bein gezeigt, von hinten oder mit Lederhandschuhen bekleidet (mal umgreift er mit diesen Slasher-beliebt die Kettensäge, mal Giallo-typisch das Messer), und auch die Erzählform eines im Dunkeln tappenden Kommissars und einer mit ihren Recherchen parallel dazu deutlich erfolgreicher vorwärts kommenden Privatperson, ist geradezu Gillo-typisch zu nennen. Erst die Art wie die Privatperson ins Geschehen und in die weiteren Ermittlungen gezogen wird, ist wieder typisch unsinnig amerikanisch. Beide Länder mischten mit, Spanien als Dritter im Bunde dominiert jedoch als Herstellungsland und macht somit aus beiden Einflüssen wieder ein recht eigenständiges Werk, vielleicht etwas vergleichbar mit dem ebenfalls etwas krude ausgefallenem „Die Säge des Todes“.

Wer es etwas ungewöhnlich, psychologisch plump und herrlich schmuddelig Bahnhofs-Kino-like mag, der kann durchaus einen Blick riskieren. Wie erwähnt, ich mag den Film, trotz oder aufgrund all seiner Makel, aber ich kann jeden verstehen, der mit „Pieces“ nichts anzufangen weiß. Wirklich geglückt ist er nun wirklich nicht. Und etwas zäh ist er für den ein oder anderen sicher ebenfalls ausgefallen. Ich persönlich mag diesen langsamen und zähen Grundton, kann auch mit der schmuddeligen Art etwas anfangen und liebe den Giallo-Einfluss in einem Werk, bei dem man nicht weiß ob die stimmigen Szenen zufällig gekonnt ausgefallen sind, oder bewusst gekonnt umgesetzt wurden. Mir soll es Wurscht sein, letztendlich werden ohnehin nur wenige Menschen mit diesem sympathisch mal gescheiterten, mal geglückten Werk etwas anfangen können.  OFDb

27.06.2017

DIE WEIBCHEN (1970)

Es war sicherlich damals schon werbetechnisch ein großer Schachzug Uschi Glas in einem solch provozierenden Film zu besetzen, war sie doch bereits durch ihre Auftritte bei den Lümmeln von der ersten Bank, durch Filme wie „Klassenkeile“ und diverse Wallace-Streifen, sowie ihrem gemeinsamen Auftritt mit Roy Black in „Hilfe, ich liebe Zwillinge“ bekannt geworden. Dennoch scheint es heute noch eine Spur skurriler zu wirken, wenn man ein Publikum mit den Worten „Der Kannibalenfilm mit Uschi Glas“ locken kann. Trotzdem bleibt eine Besetzung mit Uschi Glas, ebenso wie in jedem anderen Film in dem sie agierte, ein Schwachpunkt, ist die Frau doch schnellstens schauspielerisch überfordert, und das lässt sich leider an vielen Stellen nicht übersehen.

Auch in einer Geschichte, die als Groteske erzählt ist, fällt das auf. Glücklicher Weise ist „Die Weibchen“ interessant genug umgesetzt, so dass man gütigst über dieses Makel hinwegsehen kann. Köstlich ist der Gedanke, dass manch einer Brynychs Werk als lobenswerten Emanzipationsbeitrag betrachten könnte, heißt er diese Bewegung doch zwar gut, thematisiert aber eigentlich etwas völlig anderes. In „Little Women“ (Alternativtitel) geht es um Extremisten, und die sind im Emanzipationsbereich ebenso schädlich für die Gesellschaft wie im politischen, religiösen oder anderweitigem gesellschaftlichen Bereich.

Eve landet unter Extremisten, die sie zu einer der Ihren erziehen wollen. Da Eve zu Beginn geistig noch normal gepolt ist, kommt ihr das entrückte Denken der ortsansässigen Frauen, welches sie zunächst nur als sonderbares Benehmen wahrnimmt, äußerst skurril vor, während die Frauen selbst in ihrer Desorientierung dies nicht verstehen könnten. Gerade deshalb ist es auch so wichtig, dass „Die Weibchen“ in Form einer Groteske umgesetzt wurde. Der Zuschauer soll spüren zu welch verrücktem Denken Extremismus verleitet.

Glücklicher Weise begeht Brynych nicht den Fehler Emanzipation an sich der Lächerlichkeit preiszugeben. Das Verhalten der frisch im Ort angekommenen Männer weist allerhand Verhaltensweisen des starken Geschlechts auf, gegen das sich Frauen seinerzeit zu Recht gewehrt haben. Andererseits thematisiert „Die Weibchen“ mit Frauen in damaligen Männerberufen, wie jenem des Automechanikers, auch die Verwirrungen dieser Zeit des Umbruchs. Nicht jedem fiel es leicht sich an das neue Rollenbild der Frau zu gewöhnen.

Was dem Film letztendlich seine spezielle Note beschert, ist der schmuddelige Bahnhofs-Kino-Touch, der ihn mit angedeutetem Gore, nackten Tatsachen, dem Verzicht auf subtile Andeutungen und der Extreme seiner Geschichte, freilich aber auch aufgrund der von Peter Thomas komponierten Hintergrundmusik und der (teilweise absichtlich übertriebenen) Mode deutlich in den 70er Jahren festhält. „Die Weibchen“ guckt sich nicht zeitlos, und das ist auch gut so, ist er doch ähnlich wie „Sieben Tage Frist“ ein interessantes deutsches Werk seiner Zeit, wenn auch völlig anders ausgefallen als dieser.

Die Konzentration auf den grotesken Ton lässt den Film nur schwer einem Genre zuordnen. Letztendlich enthält er Elemente des Horrorfilms, des Dramas und des Kriminalfilms, ist andererseits aber gleichzeitig nichts von alledem. Hier wäre er meiner Meinung ein wenig mit „Der Bunker“, aufgrund der Entstehungszeit mehr aber noch mit „The Wicker Man“ vergleichbar, beides Filme, die ebenfalls Kritik an extremistischem Denken äußern.

Emanzipation verschreckte damals viele Menschen, das zeigt sich in der Filmwelt mit Werken wie „The Astounding She-Monster“ und „Cat-Women on the Moon“ sehr deutlich. Im Gegenzug gab es mit Werken wie „Invasion der Bienenmädchen“ auch Vertreter, die modern mit dem Gesellschaftsumschwung umzugehen wussten. Es tut jedoch gut zu wissen, dass bereits damals jemand das klassische Für und Wider, über das jeder sprach, ignorierte, um über das Thema hinweg einen filmischen Kommentar darüber ablieferte, wie der Emanzipationsgedanke von Extremisten missbraucht werden kann und unschuldige Menschen manipulieren kann. Der Schluss von „Die Weibchen“ ist nicht als Sieg der Emanzipation zu betrachten, sondern als trauriges Beispiel eines gehirngewaschenen Geistes, von Dritten ihres Verstandes beraubt für den angeblich guten Zweck.

Mir gefällt diesbezüglich die Titelgebung ganz gut. Versteht man die Bezeichnung „Die Weibchen“ zunächst noch als herablassende Bezeichnung dominanten Männerdenkens, entpuppt sich der Titel mit der Zeit doch viel mehr als Verweis auf das unreife Denken von Extremisten. Es ist schön mit anzusehen auf welch sich wohlfühlend selbstverständliche Art die jungen Dinger im Finale einen Mann mit der Säge zerlegen, eine kindliche Freude ausstrahlend, eine Unreife lebend, geistig entrückt kein natürliches Empfinden für ihre schreckliche Tat aufblitzen lassend. Es sind keine mündigen Frauen, wie sie es als Emanzen sein möchten, es sind nicht erwachsen gewordene Weibchen mit unreifem Schwarz/Weiß-Denken.  OFDb

26.06.2017

DAS TODESSCHIFF (1980)

Der harmlose Einstieg ins Geschehen erinnert ein wenig an den Heinz Rühmann-Film „Der Kapitän“, wenn wir davon erfahren, dass der von George Kennedy gespielte Kapitän sich nicht nur auf seiner letzten Reise befindet, sondern es ihm auch noch zuwider ist mit den dekadenten Passagieren höflich zu interagieren. Wenn im Stil von „Geisterschiff der reitenden Leichen“ und „Die Schreckensmacht der Zombies“ nun aus dem Nichts ein Geisterschiff auftaucht, hält sich nach dem Zusammenstoss beider Schiffe Alvin Rakoff nicht lange mit einem Katastrophen- und Untergangsszenario auf. Wir bekommen kurzerhand die im Wasser treibenden Überlebenden präsentiert, die weder die Toten betrauern, noch das was Geschehen ist hinterfragen, sondern einfach nur froh sind nach erneutem Auftauchen des rostigen Kahns auf diesem Unterschlupf zu finden.

Von nun an kann man „Das Todesschiff“ als eine Art Spukhaus-Horror auf dem Meer bezeichnen, könnte mit Ausnahme typischer Schiffseigenschaften und der Location selbst doch so ziemlich alles was passiert auch mehr oder weniger in einem Spukhaus stattfinden. Gegenstände bewegen sich von selbst um Menschen ins Jenseits zu befördern, der Kapitän wird von den Geistern des Schiffs besessen, merkwürdige Dinge, wie eine Blutdusche und unheimliche Allergien auslösende Bonbons halten derweil den Zuschauer auf Trab, dem mit fortschreitender Laufzeit immer mehr bewusst wird, dass „Death Ship“ (Originaltitel) eine Nummernrevue ist, die so lange unzusammenhängendes Unheimliches auf die Protagonisten niederregnen lässt, bis es sie ins Happy End entlässt.

Warum das so wunderbar selbstständig funktionierende Schiff einen besessenen Kapitän benötigt, um seine Arbeit zu verrichten, ergibt innerhalb des ohnehin keine Regeln befolgenden Spuks keinen Sinn. Dieser Aspekt dient einzig dem Drehbuchautor etwas vorweisen zu können, gegen das die Helden zum Ende hin kämpfen können. Mit dem Schiff selbst können sie sich logischer Weise nicht anlegen. Dass auch das Zerstören diverser Gerätschaften auf diesem Spukkahn keinen Sinn ergibt, beweist eine Szene, in welcher ein die Protagonisten in den Wahnsinn treibender Film selbst dann noch munter läuft, wenn der dazugehörende Projektor zerstört ist.

Alle Macht gehört dem Geisterschiff, deswegen darf man am Ende auch ein wenig überrascht sein, warum mit einem Mal den letzten vier Überlebenden die Flucht gelingt, und dies urplötzlich auch auf einfachstem Wege. Aber wer fragt schon nach Sinn in einem Film, in welchem man mitten in der Nacht trotz aller vorherigen Geschehnisse eine Dusche nimmt, oder die Kinder in ihrem eigenen Zimmer unbewacht nächtigen lässt. Wenn uns der Film nach etwa einer Stunde Laufzeit einen Hintergrund der Geschehnisse von einst liefert, bekommt der Spuk damit keinerlei Erklärung, geschweige denn Sinn, zumal es die Nazis sind, die spuken und nicht ihre gepeinigten Opfer.

Ja, das guckt sich alles recht zusammenhanglos, aber von Alvin Rakoff teilweise gar nicht mal schlecht umgesetzt. Er weiß das Schiff auf schlichte Art unheimlich einzufangen, freilich mit Hilfe der Set-Designer, die den staubig, rostigen Kahn allerhand Spinnweben beschert haben, um auch klassische Gruselelemente zu integrieren. Und das Geisterschiff selbst weiß in seinem düster-rostigen Look ohnehin zu gefallen und erinnert ein wenig an das Biest von LKW in Spielbergs „Duell“, was ich definitiv als Lob verstanden haben will. Trotz kurzer Nackedeiszenen und einem brutalen Ableben des Kapitäns kommt „Das Todesschiff“ eher konservativ und trocken erzählt daher, was mir persönlich aber ganz gut gefiel. Langeweile kommt nicht auf, und die Schauspieler schlagen sich wacker. Der Film ist lediglich angenehm zu schauende Routine, welchem für ein besseres Ergebnis inhaltlich ein Kapitän am Steuer gefehlt hat, der den Kurs hält.  OFDb

MILLION DOLLAR CROCODILE (2012)

Der Krokodil-Horrorfilme gibt es viele, und etwas wirklich Neues hat die chinesische Produktion „Million Dollar Crocodile“ dem Sub-Genre nicht hinzuzufügen. Aber zumindest kann man dem Film zugestehen kein liebloses Schnellschuss-Produkt wie die Werke des TV-Senders SyFy zu sein. Allein die Krokodilanimation ist dafür viel zu geglückt. Und mag die Geschichte auch keinen Innovationspreis gewinnen, derart einfallslos 08/15 wie die Beiträge besagten Fernsehsenders ist sie nun auch nicht ausgefallen, das beweist allein die sympathische Figurenzeichnung, die eher augenzwinkernd mit Stereotypen umgeht, anstatt diese tatsächlich, wie es zunächst scheint, zu verkörpern.

Zugegeben, die hysterische Frau ist gewöhnungsbedürftig. Freundet man sich mit ihrer Art jedoch an, kann man einiges zu lachen kriegen. Auch die Schießkünste des nie ernst genommenen Polizisten sind ein humoristisches Element. „Croczilla“ (Alternativtitel) ist eine Horror-Komödie, reduziert seine Komik jedoch in der Story und holt diesbezüglich aus bei den Charakteren. Nicht nur dies geht zu Lasten des Spannungsbogens. Ein Kind im Zentrum, nur wenige Tote und der gefühlvolle Umgang mit dem Krokodil machen aus dem Stoff die weichgespülte Version seiner Gattung Film. Und dieser Rezeptur tut es nicht gerade gut, dass in den meisten Szenen die Menschen Jagd auf das Krokodil machen und nicht umgekehrt.

Da jedoch das Herz am rechten Fleck sitzt und auch die Schurken des Streifens sympathisch dämlich verkörpert werden, diesbezüglich eher an Kinderstoffe a la „Pippi Langstrumpf“ erinnernd, geht „Million Dollar Crocodile - Die Jagd beginnt“ (Alternativtitel) trotzdem als okay durch. Er ist zwar nicht das was ich erwartet hatte und auch in seiner anderen Art nichts Nennenswertes im Sektor der Filme um angriffslustige Krokodile, und auch die Geschichte selbst dreht sich für meinen Geschmack viel zu sehr im Kreis, die Charaktere und die Schauspieler, die sie so liebevoll verkörpern, schenken dem Streifen jedoch den nötigen Charme, um auf das Ergebnis trotzdem nicht all zu böse zu sein.  OFDb

TORNADO (1978)

Oh man, wenn man „Tornado“ erst einmal gesichtet hat, versteht man warum er Teil der Trash-Collection von CMV wurde. Es ist nicht so, dass er vor unfreiwilliger Komik nur so sprudeln würde, ganz im Gegenteil ist „Sea Twister“ (Alternativtitel) über weite Strecken gar ziemlich zäh ausgefallen. Aber die fast ereignislose Erzählung ist derart angereichert mit reißerischen Elementen, dass man davon ausgehen kann dass man beim Durchforsten des hauchdünnen Drehbuchs sicher nach Lücken gesucht hat, in welche man weitere reißerische Elemente hinein quetschen konnte. Der böse Großunternehmer, die leidenden Hinterbliebenen, der Kannibalismus in der Not, ob in großen Ereignissen oder kleinen Nebensächlichkeiten, stets wird ein quantitativer Schauwert hervorgezaubert, der schon irgendein Zielpublikum locken wird.

Wahrscheinlich würde sich heute kaum wer an „Terror Storm“ (Alternativtitel) erinnern, wenn der mit Hugo Stiglitz in einer eher kleinen Rolle besetzte Film inmitten der langen Schlange reißerischer Elemente nicht auch hungrige Haie mit an Bord gehabt hätte (nicht wörtlich zu nehmen, sie schwimmen freilich im Wasser), ein Element das so kurz nach dem Erfolg von „Der weiße Hai“ von Geldmachern gern als Hauptattraktion hervorgehoben wurde. So ziemlich jeder Film in dem sich ein Hai befand, wurde zu dieser Zeit für den deutschen Markt aufgekauft um ihn als neuen Hai-Horror zu präsentieren. Dieser Hype bescherte dem im Erscheinungsjahr von „Der weiße Hai 2“ entstandenen „Cyclone“ (Originaltitel) die Alternativtitel „Killer Shark“ und „Tornado und Haie“.

In der Trash Collection ist er schlicht als „Tornado“ erschienen, und auch dieser Titel täuscht eher, anstatt dass er der Wahrheit entspricht, ist der titelgebende Tornado doch lediglich der Auslöser des darauf folgenden Abenteuerfilmes. Zur Kategorie Katastrophenfilm gehört der Streifen damit nur bedingt, und wer erst einmal jene Effekte gesichtet hat, die uns einen tosenden Tornado vorgaukeln sollen, kommt ohnehin nicht mehr aus dem Lachen heraus. Da wird an Bäumen geruckelt, Gegenstände werden ins Bild geschmissen, und selbstverständlich darf, zur Erweiterung der reißerischen Elemente, eine flüchtende Mutter mit ihrem Kleinkind mitten im Unwetter gezeigt werden. Beim minder gebildeten Publikum kommt das Klischee Kinder wären die tragischsten Opfer bei Katastrophen, stets an.

Dementsprechend darf es in der eigentlichen Hauptgeschichte, in welcher diverse Überlebende auf einem Schiff zusammenkommen, einen Hund und eine schwangere Frau, bzw. nach der Geburt einen Säugling geben. Schwache Geschöpfe kurbeln das Leid aller Beteiligten beim stumpfen Publikum an, und genau das soll hier bedient werden. Wirklich glaubwürdig will die Chose auf dem Schiff, trotz des Einbringens jedes möglichen Elends, nicht wirken. Zu friedfertig geht die Ansammlung unterschiedlichster Charaktere miteinander um, selbst dann wenn der letzte Tropfen Wasser verteilt ist. Zusammenhalt ist am Ende das wichtigste. Und eine feuchte Haut und gut sitzende Frisuren stehen einem realistischem Eindruck ebenfalls stark im Weg.

Genau daraus zieht die Co-Produktion aus Italien, Mexiko und Amerika aber ihren wahren Schauwert. Der Mangel sich in die Situation hineinzufühlen, von welcher der Hauptteil der Geschichte leben soll, dominiert als unfreiwillige Komik noch weit vor den reißerischen Elementen, die jedoch, das muss man anerkennen, gerade deshalb noch bescheuerter wirken als ohnehin schon. Müde Dialoge sollen einen Hauch Gesellschaftskritik vortäuschen, z.B. wenn ohne wahre Argumente darüber diskutiert wird, ob man nun einen Hund, oder später auch einen Menschen, essen darf, wenn die Alternative dazu doch das Verhungern ist. Freilich wirkt das aufgesetzt, zumal der Autor deutlich Position bezieht, aber noch bevor es Grund zu klagen gibt, geht es mit anderen Dümmlichkeiten bereits weiter.

Der einzige Schauwert der neben tatsächlich guten Spezialeffekten fehlt, ist die nackte Haut diverser hübscher Frauen. Warum gerade dieser Aspekt in einem Film dieser Entstehungszeit fehlt, ist mir ein Rätsel - zumal man wie erwähnt ansonsten nicht an Quantitäten spart. „Tornado“ ist kein Highlight für Freunde schlechter Filme geworden, dafür wird er zwischenzeitlich immer wieder zu langweilig. Akzeptabel genug um als Freund schlechter Filme einmal einen Blick zu riskieren, ist er aber dann doch.  OFDb

25.06.2017

NULL NULL SCHNEIDER - JAGD AUF NIHIL BAXTER (1994)

Befanden sich Helge Schneiders Vorgängerfilme „Johnny Flash“ und „Texas - Doc Snyder hält die Welt in Atem“ noch halbwegs im Bereich des Geschichteerzählens, wenn auch dort bereits das Publikum damit vor den Kopf schlagend sich an wenige gängige Regeln filmischer Erzählungen zu halten, da überrumpelte der Komiker mit seinem Folgewerk „00 Schneider - Jagd auf Nihil Baxter“ den Zuschauern endgültig, indem er eine sich an keinerlei Filmregeln haltende Nummernrevue ablieferte, die derart improvisiert war, dass Ausrutscher wie das Schauen in die Kamera oder plötzliche Lachflashs enthalten blieben. Parkplatzwärter Helmut Körschgen wurde gar absichtlich aufgrund jeglicher fehlender Schauspielleistung überhaupt erst besetzt.

Klassische Komödienwitze, wie sie der Zuschauer aus Otto-Filmen oder Werken von Dieter Hallervorden kannten, sind kaum noch enthalten, und wenn sie es sind, fallen sie ziemlich einfach gehalten und infantil aus. Wer etwas mit dem Film anfanfangen möchte, und noch mehr mit dem Folgewerk „Praxis Dr. Hasenbein“, in welchem Helge sein Verfahren der improvisierten Nichterzählung, wie ich sie einfach einmal nenne, auf die Spitze trieb, der muss etwas mit der Improvisationskunst Helge Schneiders und Konsorten anfangen können, der muss einen Hang zur schlechten Erzählung mögen, der muss aber auch die Kunst hinter dem vermeindlichen Schund erkennen, der beileibe kein Schönreden desaströser Zustände ist. Denn wer gut beobachtet, der erkennt die geistreichen Intentionen gesellschaftliche Normen und Kinoklischees zu zerlegen, mit ihren Eigenschaften zu spielen und sich mit ihnen auf absurde Art auseinanderzusetzen.

Wer also die Arbeiten Helge Schneiders, egal ob im Musik- oder im Filmbereich, auf albernen Klamauk reduziert, der verkennt das Genie dahinter. Jener der sich auf das was uns Helge Schneider als Film verkaufen möchte, einstellen kann, der erlebt nicht nur hemmungslosen Klamauk, der zu großen Lachanfällen führen kann, er kann auch intellektuell gefordert werden, vorausgesetzt die Scheuklappen konservativen Kunstgefühls sind abgelegt. Im Vergleich zum Vorgänger und Nachfolger haben sich meiner Meinung nach aber dennoch Schwächen eingeschlichen, die das Erleben auf Unterhaltungsbasis im Vergleich ein wenig reduzieren.

So ist die recht dominant eingebrachte Rolle des Nihil Baxter zu nervenzerrend interpretiert, selbst bei Wohlwollen in ihrer extrem vorgetragenen Art kaum auszuhalten und eher der noch vorhandenen Unreife des Komikers zum Überagieren geschult, sprich eine Art Übertreibung darbietend, die es viele Jahre später in „Null Null Schneider 2“ (und ich behaupte mal auch in anderen Filmen, hätte Helge solche gedreht) nicht ohne Grund mehr gegeben hat. Auch kurze Momente des Stillstands, die in anderen Werken des Komikers meist für überraschend stillere Komik genutzt wurden, nagen aufgrund ihrer Länge an den Nerven des Publikums, z.B. dann wenn Baxter ewig klagt wie langweilig ihm ist, während er sich lustlos mit seiner Kunstsammlung befasst.

Auch das zu häufige wiederholen recht sympathischer Witze, wie dem Ersatzreimen aus Kinderzeiten a la Hase, Hase, Popase tut dem Film nicht gut, verliert der Humor doch damit langsam seinen Charme und wirkt wie das Hinwegtäuschen von Einfallslosigkeit. Das liest sich sehr streng inmitten solch gelungener, individueller Komikkunst, denn den aufgezählten Schwachpunkten stehen Stärken gegenüber, welche die konfuse Fasterzählung gestemmt bekommen. „00 Schneider“ mag ein anstrengend zu schauender Film sein, aber auch ein unglaublich witziger und unterhaltsamer.

Running Gags, wie die von Kunze gespielten Frauenrollen, so ziemlich jeder Auftritt Helmut Körschgens und das Gespür fürs Absurde (wunderbar herrlich die Pilotenkommentare während eines Flugzeugfluges, oder die Kameraaufnahme beim Rennen eines in Unterhose gekleideten, scheinbar geistig Verwirrten) sind bereits dominante Trümpfe innerhalb eines Filmes in welchem man mit allem rechnen muss, eben weil es keine Regeln zu geben scheint. Satirische Ansätze sind stark verkleidet vorhanden, ebenso wie besagte Filmklischees, die oft kaum noch zu erkennen sind, so bizarr wie der Ausnahmekomiker sie verarbeitet.

Manches Mal wäre es schön gewesen Helge hätte seinen Mitspielern mehr Raum zur Entfaltung gelassen, manches Mal ist es gut dass er dies nicht zulässt, oder in der Ausnahme eben doch. So ist sie eben, die Improvisation, macht man sie rückgängig, um zu wiederholen und Fehler auszubügeln, manipuliert man sie bereits. Helge Schneider wird schon gewusst haben wann eine Szene im Kasten ist und wann eine Wiederholung von Nöten war. Das Gespür dafür erkennt man dem herrlich kaputten Gesamtwerk stilistisch an. Dass Christoph Schlingensief als Kameramann und Mitregisseur beteiligt war, verwundert mit Kenntnis dessen Filme kaum, ist seine Art der Filmschundkunst jener von Schneider doch recht ähnlich, nur dass Helge sich dem humorvollen Part verschrieben hat, während Schlingensief stilistisch ähnlich vorgehend eher gesellschaftskritische Dramen umgesetzt hat. Im Gegenzug war Helge häufig an Prokten Schlingensiefs beteiligt.  OFDb

SHERLOCK - DIE BRAUT DES GRAUENS (2016)

Die Serie „Sherlock“ lebt neben ihren wunderbar besetzten, teilweise neuinterpretierten Charakteren, von der Moderne, in welche die Figuren des 19. Jahrhunderts in unsere Zeit hineinkatapultiert wurden, und da weiß die Idee zu gefallen, dass ein TV-Special, welches uns die Wartezeit zwischen der dritten und vierten Staffel versüßen soll, in der Ausnahme einmal zu jener Zeit spielt, in welcher die ursprünglichen Abenteuer von Sherlock Holmes in den Geschichten von Arthur Conan Doyle stattgefunden haben. Da verwundert es zu Beginn umso mehr, dass wir am Anfang eine Zusammenzählung jener Ereignisse vorgesetzt bekommen, die bisher geschahen. Aber im Laufe der Erzählung ergibt auch dies Sinn, entpuppt sich „Die Braut des Grauens“ doch als Film mit direktem Zusammenhang zur Reihe und damit doch nicht als einzig für sich stehendes TV-Special einer erfolgreichen TV-Serie.

Es dauert lange, aber gelegentlich spielt „Sherlock - Die Braut des Grauens“ überraschend plötzlich wieder in unserer Zeit, und da wird, wie typisch für diese Serie, nicht nur wieder alles auf den Kopf gestellt und damit alles anders, als wie von uns vermutet - wie so oft gehen die Autoren der Reihe auch diesmal noch einen Schritt weiter und spielen verschmitzt mit der Idee (zumindest kurz angedeutet), dass alles was wir in den drei Staffeln bisher sahen sich im Gedankenpalast eines im 19. Jahrhundert lebenden Sherlock Holmes abgespielt haben könnte, da Sherlock sich dort eine alternative Welt, die in seiner Zukunft spielt, ausmalt. Das ist freilich nur nebensächliche Spielerei, aber einer jener Faktoren, die das Reinschalten immer wieder lohnt, eben weil die Autoren sich auf Gedankenspiele einlassen, die zur Charakterzeichnung des zutiefiest aufgrund seiner Intelligenz gelangweilten Sherlocks passt.

Umgekehrt: warum sich Sherlock, wie sich erst spät herausstellt, in seinen Gedankenpalast zurückzieht und Überlegungen eines Kriminalfalles im 19. Jahrhundert stattfinden lässt, ergibt im Nachhinein mehr oder weniger tatsächlich Sinn, was aber auch am mittlerweile fast schon üblichen Kniff liegt, dass die eigentliche Geschichte sich gar nicht wie vermutet um den angegangenen Kriminalfall dreht, sondern dieser lediglich das Tor zum eigentlichen Ereignis darstellt.

Die Ablenkungen vom ursprünglichen Kriminalfall sind in Staffel 3 ein wenig zu dominant angegangen worden, so dass „Sherlock“ dort kaum noch Krimi-Serie war. Mir hat sie dementsprechend auch nicht so gut gefallen (was aber noch mehr daran lag, dass clever klingende Ideen nicht so geistreich ausfielen wie intelligente Ideen der Vorgänger). Um so erleichterter war ich, dass der Kriminalfall um „Die Braut des Grauens“ trotz ähnlichem Stellenwertes für die Gesamtgeschichte nicht in den Hintergrund fällt und bis zum Schluss von Bedeutung bleibt und befriedigend aufgelöst wird. Hierfür setzt man in „Sherlock“ erstmals ein politisches Statement, jedoch eines zu einem heutzutage gesellschaftssicheren Themas, so dass man nicht riskierte eine Zuschauergruppe vor den Kopf zu schlagen.

Richtig sinnvoll kann auch ebenfalls erstmals das Spiel mit den Metaebenen beginnen, eben weil „Die Braut des Grauens“ nicht wirklich, wie es zunächst scheint, im 19. Jahrhundert spielt und Sherlock sich mit den Figuren in seinem Gedankenpalast somit darüber unterhalten kann wie reißerisch ein Setting ausgefallen sein kann, oder wie sich der Titel „Die Braut des Grauens“ anhört. Wer genau aufpasst bekommt in einem Nebensatz während eines kleineren, schnell gesprochenen Monologes Sherlocks sogar die Auflösung dessen präsentiert, wie der Meisterdetektiv einst seinen Mord vortäuschen konnte, ein Rätsel das man uns verspielt zankend in Folge 7 auf Teufel komm raus nicht lüften wollte.

Es gibt also viele Gründe sich „Die Braut des Grauens“ anzuschauen, der wichtigste dürfte aber wohl jener sein, dass die Autoren hier zur alten Form zurückgefunden haben, sprich eine interessante Geschichte mit pfiffigen Ideen und intelligenten, wie unterhaltsamen Dialogen präsentieren und sich, im Gegensatz zur mauen dritten Staffel, wieder mehr auf den Kriminalfall konzentrieren und den Bruder Sherlocks wieder etwas reduzierter einsetzen. Die Chemie zwischen Watson und Sherlock stimmt weiterhin und wird als Herzstück des Ganzen zurückentdeckt, und dank der Spielerei zwischen beiden Handlungszeiten wird das TV-Special zur Serie im letzten Drittel noch eine Spur verspielter und interessanter, als man zunächst vermutet hätte.

Dank eines geistreichen Umgangs mit diesem Perspektivwechsel und dem Erkennen der Möglichkeiten von diesem, wird „Die Braut des Grauens“ in dieser Phase noch besser als zuvor. Bereits das Niveau der ersten Stunde hatte mich nach der eher enttäuschenden dritten Staffel zufrieden gestimmt und hätte mir als Wiedergutmachung bereits gereicht. Das Gedankenspiel mit Einweihung ins 21. Jahrhundert hat schließlich zudem wieder das intellektuelle Interesse an der Geschichte endgültig geweckt, so dass „Die Braut des Grauens“ sich damit sogar als besonders wertvoller Beitrag der „Sherlock“-Reihe entpuppte.  OFDb

SHERLOCK HOLMES IN NEW YORK (1976)

Mit Roger Moore und John Huston starbesetzt erzählt man, wie es der Titel bereits verrät, von Sherlocks Aufbruch nach Amerika, um dort gegen seinen Erzfeind Moriarty zu kämpfen.Warum Irene Adler in der hier besprochenen Erzählung lediglich das hilflose Opfer ohne kriminelle Vergangenheit ist, bleibt das Geheimnis des Autors. Sie dient lediglich als Love Interest des intelligenten Kriminalisten, der ihr, wie diverse Andeutungen mehr als deutlich machen, gegen die übliche Sherlock-Regel wohl auch körperlich näher kam. Generell hält man sich ansonsten an die grundlegenden Elemente einer Sherlock Holmes-Geschichte, lediglich der Drogenkonsum des Privatdetektivs findet keine Erwähnung.

Überraschend für mich war für eine amerikanische Holmes-Geschichte, dass Watson nicht so dümmlich charakterisiert wurde, wie es ihm sonst in Produktionen dieses Landes widerfährt. Ansonsten leidet der Film aber an den üblichen Krankheiten seines Entstehungslandes. Das angeblich hochraffinierte Verbrechen Moriartys ist freilich so schlicht ausgefallen wie Holmes erforderliche Kombinationsgabe in diesem Streifen. Eine Geschichte über den berühmten Detektiv kann nun einmal nur so schlau ausfallen, wie die Verantwortlichen des Projektres selber sind, und da man zudem einen Film erschaffen wollte, dem auch ein schlicht denkendes Publikum folgen kann, sind die Aufgaben die Holmes zu bewältigen hat nicht sonderlich schwierig zu erfüllen.

Da sich die komplette Handlung an dem Verbrechen Moriartys orientiert ist das Ergebnis dementsprechend schlicht und spannungsarm ausgefallen. Langweilig wird es trotzdem nie, interessant genug um von einem wirklich unterhaltsamen Ergebnis zu sprechen jedoch auch nie. Einzig die Idee, wie das viele Gold in so kurzer Zeit weggeschafft wurde, wusste mich zu reizen, der Rest ist ein Kriminalfall, den auch jeder Routine-Kommissar hätte lösen können. Dank einer akzeptablen Besetzung der jeweiligen Rolle und der routinierten Umsetzung von Boris Sagal, der immerhin auch den großartigen „Der Omega Mann“ inszenierte, ist die vereinfachte Form einer Sherlock Holmes-Geschichte zumindest konsumierbar ausgefallen.  OFDb

24.06.2017

PHASE IV (1974)

Was diverse Vertreter der Gattung Tier-Horror immer wieder verzweifelt versuchen, das hat Saul Bass bereits 1974 abgeliefert: einen Film über bedrohliche Ameisen zu erzählen. Im Science Fiction angesiedelt und zur Bestzeit der intellektuellen Beiträge dieses Genres entstanden, bietet „Phase IV“ intelligente Unterhaltung in liebevoller Umsetzung, kurzum einen Leckerbissen für Cineasten der Seinesgleichen sucht. „Phase IV“ ist ein in sich logisch erzählter Forscherfilm, der mit den Entdeckungen, welche die beiden Hauptfiguren im Laufe der Geschichte machen, niemanden kalt lassen wird.

Allein die Ausgangslage auf der alles aufbaut fasziniert. Gebannt lauscht man dem Off-Kommentar zu Beginn, der von einem stimmigen Soundtrack untermalt wird, während man einen ersten Vorgeschmack auf die Geduld des Kamerateams bekommt, wenn hochinteressante Aufnahmen echter Ameisen gezeigt werden. Modelle, Animationen oder anderweitige Attrappen braucht man auch in den kommenden 90 Minuten nicht erwarten. Bilder, die zum Staunen einladen, erwarten den Zuschauer, der jedoch nicht das schnelle Erzähltempo heutiger Tage erwarten darf. Auch der Zuschauer muss Geduld besitzen, ist „Phase 4“ doch in einer Langsamkeit erzählt, welche sich das moderne Kino heutzutage nicht mehr gönnt. Und der Streifen benötigt diese Vorgehensweise, um sich vollends entfalten zu können. Nur so kann er diese dichte Atmosphäre aus Gefahr und wissenschaftlicher Neugierde gewinnen, die ihn so packend schauen lässt.

„Phase vier“ gehört neben „Rollerball“, „Jahr 2022 - Die überleben wollen“ und einigen anderen Vertretern dieser Zeit zu den besten Science Fiction-Werken, die je gedreht wurden. Bass genießt es regelrecht mit den Erwartungen des Zuschauers zu spielen. Schockiert muss er gemeinsam mit den Protagonisten erfahren, dass es der Mensch ist der untersucht wird, und noch später wird dem Zuschauer klar dass sich das Annähern des Filmtitels durch das Erleben der einzelnen Vorphasen, an den Ameisen orientiert und nicht an den Forschungen der Menschen.

Bass bietet uns einen tiefen Einblick in die Arbeit der Wissenschaftler, lässt uns an ihren Erfolgen und ihrem Scheitern teilhaben, sorgt stets dafür dass wir verstehen was auf Forschungsebene vor sich geht, und sein Spiel mit dem langsamen Vertauschen der Rollenmuster, unterteilt in vernünftig und emotional, sorgt dafür verschiedene Blickwinkel auf das was geschieht zu gewinnen und beschäftigt uns gleichzeitig mit den sozialen und emotionalen Seiten dieses Projektes - wenn auch stets aus nüchterner, sachlicher Perspektive betrachtet.

„Phase IV“ lebt von seinem realistischen Touch. Die Ameisen werden zu einer spürbaren Bedrohung. Sie wirken nie lächerlich. Der Gedanke als Spitze der Nahrungskette eventuell ausgetauscht zu werden verunsichert. Der Zuschauer kann sich bestens mit dem was passiert identifizieren - vorausgesetzt er kann sich erwachsen auf den ruhigen und sachlichen Erzählstil einlassen, der neben der großartigen Fotografien den Streifen überhaupt erst zu einem solchen Meilenstein der Filmgeschichte werden lässt. Die Geschichte wird bis zur letzten Konsequenz erzählt und endet mit zurückgelassenen Rätseln, die den Zuschauer im nachhinein beschäftigen können. „Phase IV“ gehört für mich zu jenen Werken, an deren Dramaturgie oder anderweitiger erzählerischer Elemente ich keine Schwachpunkte feststellen kann. Er ist eben ein Meisterwerk seines Fachs, und alle paar Jahre genieße ich seine Brillanz auf ein Neues.  OFDb

22.06.2017

HORROR HOUSE 2 (1990)

„Horror House 2“ ist eine deutsche Titelgebung, eine erfundene, denn mit „Horror House“ hat er nichts zu tun. Wahrscheinlich dachte wer dass die Parallelen der Geschichte um ein von bösen Mächten heimgesuchtes Haus und das Vorhandensein einer Szene mit einem elektrischen Stuhl bereits ausreichen würden, um das Erfinden eines Fortsetzungsrufes zu legitimieren. Dann hätte aber „Shocker“ bei all seiner Verwandtschaft zu „Horror House“ eher die Ehre gebührt, als dem kleinen italienischen Hexen-Horror, der laut der OFDb einer ganz anderen Horror-Reihe angehört.

Zwar hat „Beyond Darkness“ (Alternativtitel) auch mit dieser inhaltlich nur das unheimliche Treiben irgendwelcher bösen Mächte in irgendeinem x-beliebigen Haus gemein, so dass der Titel „Horror House 2“ genauso viel Sinn ergibt wie der Bezug zu der wahren Reihe, welcher er angehört, doch selbst wenn man aufgibt sich mit solch unnötigen Fragen zu beschäftigen, deren Antworten wahrscheinlich ohnehin nur in der Geldgier irgendwelchem Produzentendenkens zu finden sind, bleibt noch immer die Frage offen, warum der hier besprochene Film als Teil 3 nach „Ghosthouse“ und „Witchcraft - Das Böse lebt“ im Original „La Casa 5“ heißt. Wer weiß, vielleicht haben die User der OFDb auch noch nicht alle Fortsetzungen miteinander verlinkt, eigentlich ist auf deren Wissen und Fleiß jedoch Verlass.

Wie auch immer, „House 5“ (ebenso dämlicher Alternativtitel) ist der etwas arg bemühte Versuch mittels eines Exorzisten-Themas einen kruden Mix aus Spukhaus-Horror, Hexen-Horror und eben besagtem Exorzisten-Horror zu erschaffen. Herausgekommen ist ein oft lose, trotz aufeinander aufbauender Szenen, zusammengeschustert wirkendes Stück Dämonenbekämpfung, das sich trotz ewigem Drehens im Kreise für ein derart billig heruntergekurbeltes Stück 08/15-Horror halbwegs passabel guckt. Claudio Fragasso, der auch für den herrlich dämlichen „The Riffs 3“ verantwortlich war, beherrscht es zumindest eine halbwegs düstere Stimmung über den Film zu legen.

Aber die kann nicht lange jene undurchdachten Zusammenhänge zusammen halten, die Episoden-haft aus jeglichem Exorzismusversuch einen Misserfolg macht, bis es beim letzten Mal schließlich, aus welchem Grund auch immer, doch noch funktioniert. Dass für keinen dieser Versuche ein komplexes Verfahren nötig ist, zeigt immer wieder auf wie wenig mächtig das eigentlich zu bekämpfende Wesen ist. Lediglich dem Autor und seinen Protagonisten scheint das nie aufzufallen. Dabei zeigt doch spätestens der völlig an den Haaren herbeigezogene Fernexorzismus eines älteren Priesters, der sich bislang weigerte das Böse persönlich zu bekämpfen, wie leicht es schließlich war der Hexe Herr zu werden - oder dem Dämon, was auch immer, die Geschichte macht nie ganz deutlich gegen wen oder wieviele man nun tatsächlich kämpft.

Nicht nur dass einige Passagen, gerade den Übertritt in die andere Dimension um ein Kind zu befreien betreffend, sehr direkt bei Spielbergs „Poltergeist“ geklaut ist, auch die Tochter der nervig strahlend fröhlichen Priesterfamilie erinnert stark an die „Poltergeist“-Tochter Carol-Anne, die man dreister Weise dann auch hier Carol genannt hat. Der Autor dachte sich wahrscheinlich, dass diesen dreisten Klau keiner bemerkt, wenn der Sohn anstatt die Tochter in die Zwischenhölle gezogen wird - was ein raffinierter Schurke - aber wir hellen Köpfchen des Allessehens haben sein Spiel durchschaut.

Zumindest jenes was es zu durchschauen gibt in diesem Ideenmix, in welchem selbst der Autor irgendwann nicht mehr durchblickt, und dies obwohl es eigentlich nur um diverse Austreibungen zur Zurückgewinnung besagten Sohnes geht. Aber da sind noch ganz andere Storyelemente vorhanden, die nie genau herausgearbeitet werden und je nach Szene eine andere Gewichtung erhalten. Besonders hervor sticht die Rolle des abtrünnigen Priesterfreundes, bei der man nie begreift, warum er als Gläubiger aufgrund des Kennenlernens der dunklen Seite der Macht, trotzdem ein Nichtgläubiger sein soll.

Er ist von der Kirche verstoßen, dennoch bemächtigt einen Exorzismus durchzuführen, kurz nachdem er höchstpersönlich erwähnt dass er dies als Ungläubiger nicht kann (obwohl er eigentlich an Gott glaubt). Immer wieder heißt es er wurde vom Glauben der Hexe verführt, was nie bestätigt wird. Und als sie selbiges vor unseren Augen tut, schafft es der Abtrünnige erneut zu widerstehen. Erlöst wird er in seinem Sterbemoment jedoch erst von einem echten Priester. Da blicke mal wer durch, trotz erkennbarer Kirchenkritik jemand mit vollkommener Kenntnis als Ketzer zu brandmarken.

Er ist nur eines vieler Elemente aus „Tanz der Hexen I“ (Alternativtitel), die beim Gesamtüberblick so gar keinen Sinn ergeben wollen. Dass freilich auch keine der hier agierenden Person einen Sinn in ihrem jeweiligen Tun erkennen lässt, spielt da schon keine Rolle mehr. Dass der Nonsens auf seine ganz eigene, naiv charmante Art dennoch recht kurzweilig zu schauen ist, liegt neben des bereits erwähnten atmosphärischen Grundtons mitunter auch am Tempo des Streifens, welches die frisch eingezogene Familie bereits nach kurzer Anlaufzeit Dinge erleben lässt, die Familien vergleichbarer Geschichten erst im Finale durchmachen. Aufgrund billigster Spezialeffekte, theatralischen Anbiederungsszenen an Gott und den anderen in dieser Review angesprochenen Punkten kann man Fragassos Film trotz besagter Pluspunkte dennoch freilich zu keinem Zeitpunkt ernst nehmen.  OFDb

PROM NIGHT 4 (1992)

Prom Night“ handelt Slasher-typisch von einem Psychopathen der Teenagern auflauert, „Prom Night 2“ und dessen Fortsetzung von einem Rachegeist. Als sich am Anfang von „Prom Night 4“ herausstellt, dass es diesmal um einen vom Teufel besessenen Priester geht, spottete ich innerlich bereits, dass Teil 5 dann ein Tier-Horror werden könnte, vielleicht gar ein Bigfoot-Horror. In dieser Reihe schien alles möglich zu sein, Hauptsache irgendwann kommt das titelgebende Fest vor, wenn auch nur am Rande, so wie hier- fahren unsere Teenie-Helden doch lediglich am besagten Fest vorbei, um in einer abgelegenen Hütte eine Privatfeier zu veranstalten.

Die Parallelhandlung der Teenager lässt es zwar bereits vermuten, aber erst nach übergangener Exorzismusversuche und dem Scheitern eines anderen Geistlichen den besessenen Priester gefangen zu halten, kristallisiert sich heraus, dass man mit Teil 4 doch wieder Richtung Teil 1 tendiert und damit doch nicht erneut in eine völlig andere Richtung wegdriftet: man serviert uns einen Slasher - und zur Abwechslung mal einen ohne maskierten Psycho, denn so ein unmaskierter vom Teufel Besessener tuts auch. Ein wenig erinnert er geflüchtet aus der Gefangenheit und in seiner moralischen Mission an den Killer aus dem im selben Jahr erschienenden „Happy Hell Night“, optisch wird er mit seinen langen Haaren jedoch eher wie ein gefallener Engel eingesetzt, sein Schuhwerk verweist auf die Gothic-Szene.

Das klingt moderner als der Film ausgefallen ist, der kommt für einen Slasher recht konservativ daher und arbeitet eher streng die typischen Slasher-Regeln ab ohne dem zur Entstehungszeit, am klassischen Slasher-Modell von „Freitag der 13.“ orientiert, 12 Jahre existierendem Subgenre des Horrors etwas Neues hinzuzufügen. Mir gefällt er jedoch gerade in dieser geradeaus erzählten, leicht biederen Art, zumindest wesentlich besser als die bemüht, fast kindlische, lockere Art von „Prom Night 3“. Auch wenn es nicht wirklich danach klingt, vom Killer her orientiert man sich eher am Vater des Slasher-Kinos, Michael Myers aus „Halloween - Die Nacht des Grauens“, denn hier wie dort haben wir es mit einem mystischen, übernatürlichen Killer zu tun, der nicht zu altern scheint und einer stillen Mission folgt.

Dementsprechend im Schatten agierend wird der böse Priester hier zunächst eingesetzt, erst im Augenblick seiner unmenschlichen Taten wirkt er ironischer Weise menschlich. Ob das gewollt ist oder nicht sei einmal dahingestellt, zumindest ist der Gegenpol zum satanischen Priester das Slasher-typisch brave, keusche Teenie-Mädchen, und dieses damit einmal sinnvoller derart charakterisiert als üblicher Weise, zumindest was die Sinnbilder des Films betrifft. In der eigentlichen Handlung sind ihre inneren Werte Pott wie Deckel, Gott scheint ohnehin nicht auf irgendwessen Seite zu stehen, der hält sich raus wie er es immer tut, und so kämpft halt wie meistens die keusche Jungfrau gegen den Bösen, der sexgeile Teenager tötet, und mag man sich dem Lustgefühl auch nur zaghaft nähern.

Sicherlich wird „Prom Night - Das Böse aus dem Dunkeln“ (Alternativtitel) oder „Prom Night - Evil of Darkness“, wie er ebenfalls mancherorts heißt, nicht jedem schmecken, eben weil er nicht sonderlich frisch und individuell daher kommt. Wer aber auch die nicht ganz so hart ausgefallenen Slasher im konservativeren Gewandt mit weniger Bodycount gourtiert, kann durchaus einen Blick auf die von Clay Borris inszenierte dritte Fortsetzung werfen, die lediglich noch die Nennung der Hamilton High mit den Vorgängern verbindet. Als kleiner Durchschnittsbeitrag seines sympathischen Subgenres kann er gefallen. Ich zumindest mag ihn.  OFDb

21.06.2017

PROM NIGHT 3 (1990)

Zwar baut „Prom Night 3“ inhaltlich so gut wie gar nicht auf „Prom Night 2“ auf, mit dessem Bösewicht, dem Geist Mary Lou, verbindet die Filme aber zumindest ein hauchdünner Plot, was bereits mehr Zusammenhang bedeutet, als es Teil 1 und 2 zueinander hatten. In den 90er Jahren angekommen, zu einer Zeit in der düstere Mörder wie Jason, Michael und der frühe Freddy ersetzt wurden gegen augenzwinkerndere Kreaturen wie Chucky, dem Leprechaun und dem späteren Sprüche-klopfenden Freddy, versuchte man aus allerhand Horrorfiguren eine ähnliche Kultfigur herauszukitzeln. Und so traf „Prom Night“ das selbe Schicksal wie „Night of the Demons“: ihre zentralen Fieslinge wurden zu Möchtegern-Horrorikonen aufgebläht.

Bereits „Prom Night 2“ erinnerte stilistisch ein wenig an die „Nightmare on Elm Street“-Reihe. Nun mit Teil 3 einen großen Schritt Richtung Horror-Komödie gegangen, lässt sich die gewollte Anlehnung an besagte Erfolgsreihe nicht mehr übersehen. Nur leider tauschte man die ausgedehnten, kreativen, übernatürlichen Szenarien gegen schnelle, skurrile Tötungsmethoden, und hier verrät die bereits damals aufgedrückte FSK 16, dass es nicht sonderlich blutig zugehen wird. Wirklich einfallsreich sind die grotesk gewollten Morde nicht zu nennen, aber damit passen sie ganz gut zu einem Film, der viel zu ängstlich einen Erfolg imitieren möchte, als dass er mutig oder individuell daherkommen könnte.

Nach einem ernüchterndem Einstieg ins Geschehen, indem alle wichtigen Handlungspunkte viel zu schnell, unsensibel und lückenhaft stattfinden, fängt sich das Produkt überraschender Weise und entpuppt sich als doch wesentlich gourmierbarer als zunächst vermutet. Zwar baut man keine wirkliche Identifikation mit Alex auf, da dessen Vergehen keine verzeihbaren Kavaliersdelikte sind, aber die Geschichte funktioniert als kleiner, sich nicht selbst ernst nehmender Videotheken-Horror recht passabel. Vorbilder wie „Return of the Living Dead“ sind noch lange vor zu billig ausgefallenen Zombieszenen zu erkennen, humoristische Einlagen, wie die Direktorsprüche über die Schulsprechanlage, sorgen mit Treffsicherheit für Auflockerung.

Für ein wenig Desorientierung sorgen einige Momente, die direkt auf den Stil von „Nightmare on Elm-Street“ anspielen sollen, es sind jene in welchen Alex in die Fantasiewelt Mary Lous eintaucht. Solche Momente geschehen mitten in Alex‘ Alltag, in Anwesenheit anderer Personen, und doch wird nie klar ob nun alle anderen Personen Alex‘ Perspektive miterleben, ob Alex eine Art Tagtraum hat, oder ob Mary Lou für diese Momente eine Art Parallelszenario erschafft. Bei Freddy war die Linie zwischen Traum und Realität immer klar getrennt, wenn für manchem Überraschungseffekt auch oftmals erst im Nachhinein. Der Wahrnehmungssprung in „Prom Night 3“ will hingegen keinen Sinn machen, so dass wir eventuelle Gesetzmäßigkeiten nicht greifbar gemacht bekommen.

Von den Darstellern reißt sich keiner ein Bein aus, niemand sticht als talentiert hervor. Gut genug besetzt, damit das Ganze funktionieren kann, ist „Prom Night 3“ durchaus, bedient sich also auch diesbezüglich der Mittelmäßigkeit des Gesamtproduktes. Leider wird es Richtung Finale inhaltlich wieder etwas schlechter, gerade dann wenn es völlig überraschend auf „Poltergeist“-Art auf der anderen Seite beider Dimensionen weiter geht. Die entpuppt sich als kostengünstig, wie einfallslos zurecht gemacht, so als habe man eine Highschool für ein Halloween-Fest dekoriert, und das enttäuscht dann selbst nach dem bisher miterlebten akzeptablen Durchschnitt.

Wie es sich bereits heraus liest: man kann als Dauergast des Genres zwar mal in „Prom Night 3“ hinein schnuppern und recht passabel auf schlichtem Niveau mit geringen Erwartungen als Vielseher unterhalten werden, den Film schlichtweg zu ignorieren ist jedoch die bessere Idee. Das sympathische Ergebnis von Teil 2 macht jedoch selbstverständlich neugierig auf die ebenfalls von Mary Lou handelnde Fortsetzung, da werden trotz Vorwarnung dennoch manche Freunde von Teil 2 sicherlich enttäuscht werden. Mit Blick auf „Prom Night 4“, der erneut alle Vorgänger ignoriert und etwas völlig eigenständiges erzählt, darf man zumindest mit einem inneren Lächeln vermuten, dass das verkrampfte Imitieren eines Freddy-Filmes seinerzeit nicht den gewünschten Erfolg erzielt hat.  OFDb

18.06.2017

PROM NIGHT 2 (1987)

Was haben „Prom Night“ und „Prom Night 2“ miteinander gemein? Das im Titel benannte Abschlussfest, welches für die Schönen und Beliebten, glaubt man der Film- und Serienwelt aus Amerika, zum Highlight ihres Schülerlebens gehört. Umkämpft ist die Krone der Ballkönigin, und ein Blick auf den hier besprochenen Film lässt nur hoffen, dass er aus satirischen Gründen das Eifern auf den Titel übertreibt, denn für die ein oder andere Dame dieses Streifens ist ein Leben ohne die Krone ergattert zu haben undenkbar, und wenn man ihn sich per Blowjob erkaufen muss.

Wie auch immer, dass Teil 2 eigentlich ein eigenständiger Film ist und sich den Titel des Originals lediglich aufgrund besserer Verkaufszahlen geliehen hat (war das wirklich von Vorteil?) ist letztendlich egal, zumal der mit Jamie Lee Curtis besetzte Slasher nicht gerade derart umwerfend ausgefallen ist, dass man sich sehnlichst eine Fortsetzung gewünscht hat. Durch die übernatürliche Thematik geht man in „Mary Lou“ (Alternativtitel) völlig eigene Wege - wenn man das so bezeichnen kann, so krude wie er Elemente aus „Der Exorzist“, „Carrie“ und der „Nightmare on Elm Street“-Reihe mixt.

Den Einfluss von Letztgenanntem erkennt man an den einfallsreich gestalteten übernatürlichen Sequenzen, jener Part, an dem sich die Special Effects-Verantwortlichen und jene für die Geschichte tüchtig austoben durften. Ob es ein besessenes Schaukelpferd ist, ein unfreiwilliges Baden in einer Schultafel oder das aus „Nightmare 2“ entliehene Herausbrechen der übersinnlichen Kreatur aus ihrem Leihkörper heraus - zu sehen gibt es einiges, freilich handgemacht in einem 80er Jahre-Film, und das weiß bei der Vielzahl solcher Szenen zu gefallen.

Der Rest des Films kann damit nicht ganz mithalten. Zwar ist er mit Michael Ironside zumindest in einer Rolle gut besetzt (und in den anderen Rollen durchaus brauchbar), aber man merkt der Geschichte an, dass sie eigentlich gar nicht weiß was sie sein will. Nie entscheidet man sich wirklich zwischen Geister- und Exorzismus-Horror, ewig badet man in Visionen und nur selten bekommen gezeigte Szenen einen übergeordneten Sinn beschert. Warum Mary Lou attackiert wen sie attackiert wird nie ganz klar, ebenso die Frage darüber warum diverse Opfer Visionen erhalten.

Als Horrorfilm zum Kopfausschalten funktioniert „The Haunting of Hamilton High“ (Alternativtitel) allerdings recht gut, stellen sich die Unsinnigkeiten doch nicht derart penetrant in den Vordergrund, als dass man den Rest nicht dennoch routiniert genug genießen könnte. Mag „Hello Mary Lou - Prom Night 2“ (Originaltitel) auch manches Mal kurzfristig auf der Stelle treten und sich nicht wirklich derart für die Figuren interessieren, wie er es nach außen hin anhand diverser persönlicher Sub-Plots vorgaukelt zu tun, Bruce Pittmans Werk ist genau jene unterhaltsame Horror-Zwischendurchkost, für welche ich die 80er Jahre Videotheken-Produkte so liebe.  OFDb

17.06.2017

THE BLAIR WITCH PROJECT (1999)

Daniel Myrick und Eduardo Sanchez griffen das von Rainer Erler entwickelte Found Footage-Verfahren aus „Die Delegation“ aus dem Jahre 1970 auf und nutzten die Idee um auf pseudo-authentische Art für Grusel zu sorgen. Zwar wurde Found Footage bereits im Jahre 1980 teilweise in „Nackt und zerfleischt“ für den Horrorsektor angewendet, unheimlich sollten die Aufnahmen dort jedoch nicht ausfallen, die Ziele waren andere. Myrick und Sanchez schufen ein Werk welches entweder unheimlich langweilt oder den Zuschauer in hohem Maße gruseln kann. Seinerzeit im Kino gesichtet und einige Male allein zu Hause im Dunkeln traf auf mich letztere Wirkung zu. Ich sah ihn auf deutsch, im Originalton, einmal sogar absichtlich ohne hinzuschauen als Hörspiel: „The Blair Witch Project“ gruselte einfach wunderbar.

Nun nachdem durch „Paranormal Activity“ das Found Footage-Verfahren erst viele Jahre danach massentauglich wurde und nicht mehr nur von Filmern kleineren Kalibers wie Charles Band („Das St. Francisville Experiment“) und Oliver Hummel („The Dark Area“) umgesetzt wurde, sondern mit „Cloverfield“ und Co auch von großen Studios, wurde es reizvoll sich noch einmal den ersten großen Kinoerfolg des pseudo-dokumentatorischen Handkamera-Stils anzusehen, erst recht nachdem erst kürzlich „Blair Witch 3“ für Ernüchterung sorgte. Gesichtet habe ich das Original in geselliger Runde, was keine gute Ausgangslage dafür war, dass er wie einst hätte gruseln können. Das war aber auch ganz gut so, denn so erfuhr ich nach all den Jahren, dass er viel mehr als dies kann.

Dass „The Blair Witch Project“ sich äußerst unheimlich anschauen kann (anbei auch ohne den damals angegangenen Internet-Hype und auch dann, wenn man die Aufnahmen nicht für echt hält), hatte der Film mir bereits damals bewiesen, um dies zu bestätigen war eine Neusichtung nicht nötig. Nachdem ich diese aber nun doch angegangen bin, habe ich mich hinterher gefragt, warum jene, die nicht den kindlischen Ängsten in dunklen, verwackelten Bildern im Wald erliegen können, nicht anderweitig mit dem Film zufrieden waren, ist er doch auch als theoretisch geguckter Film ein packender Horrorbeitrag. Er funktioniert als Kunstfilm mit seinen auf eigenständige Art eingefangenen Bildern, die es vergleichsweise in ähnlich gearteten Found Footage-Horrors so nicht noch einmal gab, ebenso, wie als Charakterstudie sich verlaufender Jugendliche der Moderne. Er funktioniert als Unterhaltungsfilm ebenso wie intellektuell gesichtet. Was gibt es an „The Blair Witch Project“ zu meckern?

Einzig das dümmliche Verhalten dem Flussverlauf nicht folgen zu können und den Sonnenstand nicht für den Ausweg aus den dichten, tiefen Wäldern zu nutzen, verärgert an der hier erzählten Geschichte. Diese Punkte werden nie angesprochen und lassen die jungen Leute eine Spur dümmlicher wirken als sie eigentlich sind. Der Rest strahlt jedoch eine solch authentische Wirkung aus, dass „The Blair Witch Project“ auch im Nichtgrusel-Modus einfach zu fesseln weiß. Den Darstellern kauft man ab genau der Charakter zu sein, den sie spielen. Man würde nie eine andere Person hinter ihnen vermuten. Und das Schrittchenweise angegangene emotionale Entdriften ist psychologisch glaubwürdig eingebracht und auf die hier präsentierten Figuren genauestens abgestimmt.

Die wichtigste Rolle um diesen Prozess zu beschleunigen stellt hierfür Heather da, die bereits in der Vorphase bestimmerisch, verwöhnt und mit klassischem Mädchenbonus versehen, nicht gerade den Eindruck einer sympathischen Person macht. Mit ihr gemeinsam im dichten Wald verloren zu gehen wird zum reinen Horror, reizt sie doch selbst die Nerven des Zuschauers, so dass dieser sich toll mit den beiden Männern der Gruppe identifizieren kann. Klar kann man von Heather derart genervt sein, dass der eigentliche Film einem damit auf den Senkel geht, man kann „The Blair Witch Project“ aber auch mit eingeschaltetem Kopf sichten und die Chancen erkennen, die er damit bietet.

Denn nach anfänglichen Ärgernissen Heather gegenüber kommen nun noch wunderliche Konfrontationen mit wem unsichtbar agierend Unbekanntes, Kälte, Hunger und Angst als Faktoren hinzu, die nicht gerade dabei helfen die höflichen Umgangsformen aus der Zivilisation beizubehalten. Myrick und Sanchez begehen nie den Fehler die Drei all zu sehr abdriften zu lassen. Der Grad der Aggression bleibt stets realistisch und wird nie für Horrorfilmgewohnheiten übertrieben und verfälscht. Stets versucht man einander wieder zu beruhigen, bekommt noch einmal die Kurve, aber Ausraster stehen auf der Tagesordnung. Es sind die Jungs die sich umeinander kümmern, die einander schonen um Ruhe zu bewahren. Heather hingegen treiben egoistische Gründe voran, sie unterlässt ihr penetrantes Nachfragen nach Nichtigkeiten nicht einmal wenn es wem psychisch gerade sehr dreckig geht. Freilich hält sie sich selbst für ungeheuer umgänglich. 

Selbst in der deutschen Synchronisation spielt der Ton eine wichtige Rolle für die erzeugte Authentizität. Wer Heather einmal hat verzweifelt kreischen hören, der glaubt sie wäre echt, schreit sie doch keinesfalls Kino-typisch. Und man darf sich fragen, warum ein so lebensechtes Verzweifeln im Tonbereich nie wieder, all die Jahre nach „The Blair Witch Project“, verwendet wurde, wenn das Ergebnis dieser Tonlage doch ebenso nervt wie überzeugt. Horrorfilme bestehen aus allerhand angespannten Situationen. Eine Möglichkeit jemanden wie Heather artikulieren zu lassen ist in der Regel zuhauf gegeben.

„The Blair Witch Project“ hatte seinerzeit eine derartig unheimliche Wirkung auf mich, dass meine Lieblingsszene, der in der Ecke stehende Mike, mir allein bei dem Gedanken an den Film eine Gänsehaut beschert hat. Nachdem ich den Grusler gestern gesehen habe ohne mich zu gruseln, fasziniert selbst diese Szene noch, fragt man sich doch unweigerlich, gerade nachdem man Mike so gut kennen lernen durfte, welch starker Macht er wohl unterliegen muss, um zu tun was wir für wenige Sekunden zu sichten bekommen. Gerade ist er noch hysterisch durch ein plötzlich entdecktes, verfallenes Haus gelaufen, und im nächsten Moment steht er brav in der Ecke, so wie es ein Interviewter zu Beginn des Streifens zum Thema der Hexe von Blair beschrieben hat. Dieses Gedankenspiel ist bereits in der Theorie unheimlich.

Zudem ist der in der Ecke stehende Mike optisch eingefangen die Hauptattraktion eines ohnehin kunstvoll abgefilmten Szenarios. Wer mit verwackelten Aufnahmen etwas anfangen kann (und in „The Blair Witch Prohject“ wird mehr gewackelt als in so ziemlich jedem anderen Found Footage den ich sichten durfte), der kann in der Schönheit der Aufnahmen verloren gehen, die man als eine Kunst des Reduzierens verstehen kann. Vom professionellen Abfilmen abgewendet, hin zur amateurhaft verwackelten Optik im theoretischen Sinne, aber doch einen eigenen Look erhaltend. Bilder aus „The Blair Witch Project“ erkennt man direkt als solche wieder. Aufnahmen vergleichbarer Filme im Wald sehen anders aus. So leicht wie es klingt lässt sich der Aufnahmestil des hier besprochenen Streifens nicht kopieren.

Dies betrifft aber ebenso die Glaubwürdigkeit des Filmes. Wo in „The Dark Area“ und in „RAW - Der Fluch der Grete Müller“ untalentierte Filmemacher am Werk waren, denen die Empathie fehlte sich ins Geschehen und in die Personen hineinzuversetzen, erlebt man in „The Blair Witch Project“ genau das Gegenteil, vorausgesetzt man ist empathisch genug um dies entdecken zu können. Falls nicht bleibt ein Langeweiler, der mit plumpen Geräuschen für Angst sorgen soll und verwackelt Waldaufnahmen bei Tag und Nacht zeigt. Ein solches Empfinden ist keine Seltenheit beim Publikum vom „Blair Witch Project“, so ziemlich die Hälfte aller Zuschauer empfindet so. Mir könnte nichts ferner liegen, mag ich den Film doch sowohl für seine intellektuelle, wie auch für seine gruselige Seite. Beide Trümpfe sind nur bei sensiblem Herangehen an den Stoff zu erfahren. Und allein dafür erntet der Film meinen Respekt.  OFDb

15.06.2017

THE WOLFPACK (2015)

Liest man die Geschichte um Kinder, die bis auf wenige, kurze Ausnahmen, nie ihre Wohnung verlassen haben und die Außenwelt lediglich über Kinofilme kennen gelernt haben, erwartet man im RTL-Reportage-Stile stark gestörte Individuen, die zu keinem vernünftigen Dialog in der Lage sind und ein stark asozial geprägtes oder introvertiertes Verhalten an den Tag legen. Da darf man schon überrascht sein, wenn uns „The Wolfpack“ ganz im Gegenteil fast erwachsene Menschen präsentiert, die zur klaren Artikulation und zur Reflexion in der Lage sind und einen sozial geprägten Eindruck machen. Das macht die Aussagen aus erster Hand um so interessanter, kann man sich solch ein Leben doch kaum vorstellen.

Um so ernüchternder ist es festzustellen, dass die Dokumentation sich viel mehr Zeit für die Filmvernarrtheit der Wolfskinder nimmt, anstatt die Hintergründe zu beleuchten. Worte aus erster Hand schön und gut, aber wie steht es um die Meinung von Psychologen und Sozialbetreuern? Wo sind die Worte möglicher Ermittler vom Sozialamt oder von der Polizei, die Hintergründe erleuchten könnten, von denen die Familie vor der Kamera nicht gewollt ist zu reden? Das würde helfen so manches in der Luft schwebende Rätsel zu lösen.

Was genau sah der Vater als seine Mission an? Wieso ließ die Mutter all dies zu, wenn doch einzig dem Vater die Buhmann-Karte zugeschoben wird? Warum ließ auch sie sich einsperren? Warum hieß sie dieses Verhalten zunächst gut und später nicht? Meist werden derartige Themen nur angedeutet. Wie sich die neunköpfige Familie allein über Sozialhilfe mit all den eingekauften Filmen finanzierte wird ebenso wenig klar. Zwar ist es schön, dass auch der Vater zu Wort kommt, doch Fakten erfährt man über ihn nicht. Seine Worte helfen lediglich den gestörten Charakter zu erkennen, den auch die Kinder in ihm sehen. Er redet stets von den übergeordneten Dingen und Regeln im Leben, nie von sich selbst. Reue sieht anders aus.

Der Blick aus dem Fenster zeigt die wahre Welt der Großstadt. Trotz diverser Kommentare wird nie ganz deutlich warum der Wunsch auszubrechen so lange unterdrückt wurde und erst nach 15 Jahren in die Tat umgesetzt wurde. Auch das Leiden eingeengt wird nicht thematisiert. War es denn tatsächlich so schön miteinander auf so engem Raum zu leben? „The Wolfpack“ zeigt lediglich den sozialen Zusammenhalt der Kinder untereinander und zur Mutter, inklusive Erweiterung dieser Thematik über eine telefonische Versöhnung zwischen Mutter und Großmutter. Aber war das Leben, so schön man es sich auch mit dem Nachspielen diverser Filme im Stile eines „Abgedreht“ gemacht hat, allein aufgrund der Gewöhnung so einfach zu durchleben wie es hier den Eindruck macht? Oder vermittelt der Film gar lediglich den falschen Eindruck, durch seine viel zu fröhliche Art? Ist man einfach vorbelastet von der Idee eines „Nell“, dass man in den Geschehnissen etwas Tragischeres sehen möchte, als es letztendlich war?

Dass die Mutter gehauen worden sei, wird erwähnt. Dass man ängstlich aufgewachsen ist, wird erwähnt. Und doch sehen wir meist nur heitere Heranwachsende, die kopfschüttelnd verstehen was ihr Vater ihnen angetan hat, aber auch nicht bereit sind sich von Null auf Hundert der Welt zu öffnen. Der Sohnemann zieht in eine eigene Wohnung. Ein großer Schritt ist getan. Die Jobsuche war auch erfolgreich. Echter Kontakt zum Vater findet nicht statt. Wie sahen die Konsequenzen vom Gesetz her aus? Gab es welche? Das sind zu wenig Informationen auf Spielfilmlänge zu einem hochinteressanten Thema, und das sind mit dem Zeigen der Filmbegeisterung in vielschichtiger Form falsche Schwerpunkte. „The Wolfpack“ bleibt zu theoretisch, lässt einen nicht heran, obwohl er ganz persönlich tief eintaucht. Ein wunderliches Ergebnis!  OFDb

SCARECROW - DAS GRAUEN STIRBT NIE (2013)

Aufgrund des inszenatorisch geglückten „Shallow Ground“ wagte ich mich an den ebenfalls von Sheldon Wilson umgesetzten „Scarecrow - Das Grauen stirbt nie“ heran, wissentlich dass dieser mit „Die Vögel - Attack from Above“ sehr wohl bewiesen hat auch meidenswerte Horror-Ware in Umlauf gebracht zu haben. Dieser war im Gegensatz zu den beiden anderen Filmen jedoch nicht von Wilson mitproduziert, und am Drehbuch zu „Scarecrow“ (Originaltitel), den man nicht mit „Scarecrows“ aus dem Jahr 1988 oder „Scarecrow“ aus dem Jahr 2002 verwechseln sollte, hat der gute Mann sogar mitgeschrieben. Ich war also guter Dinge.

Aber leider bestätigt ein Blick auf besagten Vogelscheuchen-Horror lediglich, dass „Shallow Ground“ wohl doch nur ein Glückstreffer oder ein einsames Herzensprojekt Wilsons war. Zugegeben: „Scarecrow - Das Grauen endet nie“ (Alternativtitel) ist ein TV-Film und zudem hierzulande ziemlich mäßig synchronisiert. Mehr wäre dennoch drin gewesen. Dass der Aufhänger der Geschichte unsinnig ist, die Einleitungsszene für den Restfiln nicht hätte sein müssen und man uns Stereotype vorsetzt, ist keine Seltenheit im Genre und kann dennoch manches Mal passablen Ergebnissen nicht im Weg stehen. Bei „Scarecrow“ fehlt es jedoch an Gespür für die jeweilige Szene, eben genau jene Stärke, die „Shallow Ground“ zu einem Hingucker machte.

Nicht nur dass das Grauen viel zu schnell Einzug hält und auch viel zu schnell als solches erkannt wird, noch bevor rationale Alternativen auszuschließen wären, auch die Gruppendynamik und die Gesamtsituation will so gar nicht funktionieren. Die mau besetzten Klischeefiguren sagen lustlos einfallslose Sätze auf wie „Was glaubst Du ist hier passiert?“ - „Etwas Schreckliches!“ oder (kein exaktes Zitat nun:) „Es tut mir leid dass Eure Freunde tot sind“, sie überlegen nie nach sinnvollen Lösungsmöglichkeiten, verstreuen sich immer wieder in alle Himmelsrichtungen, um ebenso oft wieder zusammen zu finden. Und obwohl „Messengers 2“ bei ähnlicher Story und Drehort mit bescheidenen Mitteln zu unterhalten wusste, schafft Wilson hier selbiges nie. Nach einem funktionierenden Spannungsbogen muss man von daher erst gar keine Ausschau halten.

Eigentlich ist es schade um das Monster selbst, welches recht passabel am Computer umgesetzt wurde und eine Art Vogelscheuchen-Geister-Phänomen sein soll und somit nicht klassisch, wie im sonst rar vertretenen Gebiet des Vogelscheuchen-Horrors üblich, als erweckter, wandelnder Vogelscheuchenkörper auf seine Opfer losgeht. Das Geisterwesen wirkt wie ein flüssig-schleimiger, sich dehnen und biegender, dunkler Phantomkörper, der in atmosphärischerer Umgebung für gutes Grusel-Feeling hätte sorgen können. Leider dümpelt die hier erzählte Geschichte jedoch ähnlich trist vor sich her wie „Dead Birds“.

Dort wie hier tritt am Handlungsort angekommen die Handlung auf der Stelle. Zwar baut Wilson ordentlich Action in Form von häufigen Attacken des übernatürlichen Wesens ein, das ist aber alles so lustlos und vorhersehbar inszeniert und erzählt, dass sich dennoch nur Langeweile breit macht. Der Hintergrund aller Geschehnisse wird immer wieder mal angedeutet, interessiert aber ohnehin nicht wirklich bei solch mauem Plot, und so bleibt am Ende ein Genrebeitrag, den man nicht gesehen haben muss, dem ich aber trotzdem eine Fortsetzung in anderen Händen wünschen würde, eben weil mir die Kreatur an sich recht gut gefallen hat. Da kaum wer „Scarecrow“ kennt, braucht man auf eine solche aber wohl nicht ernsthaft hoffen.  OFDb

14.06.2017

BABY BLUES MASSACRE (2008)

Die Psychologie mag ein wenig simpel ausgefallen sein, wenn eine überforderte, meist vom Ehemann allein gelassene, Mutter durchdreht und dabei nicht nur eine Handlung aus dem Affekt begeht, den sie kurz darauf bereut, sondern derart abdriftet, dass sie als wild gewordene Psychopathin ihren Kindern nach dem Leben trachtet. Da das Ganze jedoch so konsequent eingefangen und packend erzählt ist, sieht man über dieses kleine Defizit wohlwollend hinweg, wissendlich, dass gelungene Horrorfilme über Psychopathen im Meer der Veröffentlichungen zu diesem Thema wahrlich rar gesät sind.

Bereits die Lauflänge von unter 80 Minuten (70 Minuten ohne Abspann gemessen) weiß Sympathie zu erzeugen, scheitern doch viele Horrorfilme an der unnötigen Verpflichtung auf 90 Minuten aufgeblasen zu sein. „Baby Blues Massacre“ gönnt sich eine relativ kurze Einleitung und konzentriert sich von da an auf die Jagd. Ein weiterer Pluspunkt des Streifens ist die Konsequenz in welcher die Geschichte erzählt wird. Gängige Erzählmuster, an denen der Stammzuschauer des Genres gewöhnt ist, werden oftmals übergangen. Die Mutter mordet sich überraschend erfolgreich durch die Familie, und dass der große Bruder nicht so gut für seine Geschwister sorgen kann, wie er es sich erhofft, liegt an einer glaubwürdigen Figurenzeichnung betreffend der Kinderpsychologie.

Mag Jimmy der Held auch Horrorfilm-typisch mehr wegstecken können als so mancher Actionheld, er ist zumindest kein kleiner Erwachsener, wie man ihn so oft in US-amerikanischen Filmen vorgesetzt bekommt. Er ist ein Kind und muss sich gegen eine ihm körperlich überlegene Macht zur Wehr setzen. Was bereits in den 80er Jahren bei „Deadly Games“ wunderbar funktionierte, weiß auch in diesem kleinen Werk zu gefallen, welches in den 80er Jahren spielt und angeblich auf einer wahren Begebenheit beruht.

Nicht nur dass „Cradle Will Fall - Baby Blues“ (Alternativtitel) für seine FSK 16 unglaublich hart ausgefallen ist, er ist zudem atmosphärisch dicht erzählt, in seiner Wackelkamera-freien Art fast schon altmodisch umgesetzt und bis zum Schluss konsequent erzählt. Gerade die angehangene Schlusssequenz weiß wahrlich zu beunruhgen und bietet nach Abschluss der eigentlichen Hauptgeschichte somit mehr als das was gängige Horrorware üblicher Weise in seinen letzten Szenen zu bieten hat.

„The Mother“ (Alternativtitel) ist meinerseits somit definitiv zu empfehlen, da er sich auf seine traditionelle abgefilmte Old School-Art erfreulich von all den Pseudo-coolen Torture Porns, den bemüht selbstironischen Horror-Komödien und den oft albern ausgefallenen Psychopathen-Horrors abhebt und letztendlich das bietet, was es bestenfalls in einem Horrorfilm zu erleben gibt: eine spannende Geschichte. Von wahrem Nervenkitzel würde ich zwar nicht gerade sprechen, zumindest für Stammzuschauer im Horrorfilm, packend genug um mit dem Jungen mitzubangen ist das Ergebnis aber definitiv ausgefallen. „Baby Blues“ (Originaltitel) ist in meinen Augen ein kleiner Geheim-Tipp.  OFDb